Polis kocht! Chancengleichheit für geflüchtete Frauen auf dem Arbeitsmarkt
25. Mai 2018, bi’bak
Am 25. Mai 2018 lud Polis 180 zur Auftaktveranstaltung der Reihe „Polis kocht! Außen- und Europapolitik geht durch den Magen“ im bi’bak zu Tisch. Als Expertin geladen war Margrit Zauner, Leiterin der Abteilung Arbeit und Berufliche Bildung der Berliner Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales, die mit den Gästen zum Thema Chancengleichheit für geflüchtete Frauen auf dem Arbeitsmarkt diskutierte.
Die Veranstaltung fand als Kooperation der Programmbereiche Arbeitsmarktintegration Geflüchteter und Gender und Internationale Politik unter der Projektleitung von Polis kocht! statt. Zu Beginn stellte Margrit Zauner die Arbeit des Landes Berlin zur Arbeitsmarktintegration Geflüchteter vor. Im April 2016 hat der Senat sich beispielsweise auf ein Gesamtkonzept zur Integration Geflüchteter verständigt, das als einen wesentlichen Bestandteil Maßnahmen zur Förderung der beruflichen Integration von geflüchteten Menschen vorsieht.
Die Integration in den Arbeitsmarkt wurde dabei von Anfang an mitgedacht, stand aber zunächst – im Gegensatz zu Grundfragen wie zum Beispiel der Unterbringung, der gesundheitlichen Versorgung oder dem Asylverfahren – im besonderen Fokus der Öffentlichkeit. Somit sei in Berlin mehr Zeit gewesen, um sich gemeinsam mit den wesentlichen Akteuren der Arbeitsmarktpolitik auf die wachsende Zahl der in Zukunft zu Beschäftigenden Neu-Berlinerinnen einzustellen. Eine bedeutsame Aufgabe, denn die Teilnahme am Erwerbsleben zählt zu den wichtigsten Aspekten für erfolgreiche Integrationsverläufe.
Hier, so Zauner, verfolge sie mit ihrer Abteilung den Anspruch, ausreichend Regelstrukturen bereitzustellen und zu ermöglichen, dass ein diskriminierungsfreier Zugang zu den Angeboten gewährleistet ist. Das Land Berlin kann auf langjährigen Erfahrungen, zum Beispiel mit bestehenden Sprachförderungs- und beruflichen Beratungsangeboten, aufbauen, die gezielt ausgebaut und angepasst werden. Insbesondere werde auf Ressourcenorientierung und Nachhaltigkeit geachtet.
Neben der bereits gut ausgebauten (Arbeitsmarkt)integrations-Infrastruktur in Berlin habe insbesondere die große Bereitschaft von Unternehmen geholfen, die Situation zu bewältigen, so Zauner. Der Berliner Arbeitsmarkt zeichne sich durch eine große Offenheit und eine Willkommenskultur in zahlreichen Unternehmen aus. Oftmals seien es Präsident*innen, Vorstände und Unternehmensleitungen gewesen, die sich der Aufgabe persönlich angenommen und an Strategien zur Integration Geflüchteter in ihrem Betrieb mitgewirkt haben.
In Bezug auf die Herausforderungen und Handlungsoptionen bei der Arbeitsmarktintegration geflüchteter Frauen lassen sich trotz der Heterogenität von geflüchteten Frauen einige wichtige Aspekte identifizieren. So benötigen einige geflüchtete Frauen besondere Unterstützung, da ihnen der Zugang zu (beruflichen) Integrationsangeboten beispielsweise durch ein niedrigeres Ausbildungsniveau, die primäre Verantwortlichkeit für innerfamiliäre Aufgaben wie Kinderbetreuung oder die Unsicherheiten im Alltag einer fremden Großstadt erschwert wird. Durch eine gezielte Ansprache und die Bereitstellung spezifischer Angebote sei dieser Problematik entgegenzuwirken.
Die Diskussion unter den Gästen unserer Veranstaltung zeigte einerseits, dass es hierbei keine Patentlösungen gibt. Zum Beispiel berichtete Margit Zauner, dass Angebote für Frauen, bei denen Kinderbetreuung zusätzlich angeboten wird, bisher nur bedingt angenommen werden. Hingegen haben einzelne Träger gute Erfahrungen gemacht, wenn Angebote für Kinder gemacht werden und diese dann die Mütter integrieren. Beratungs- und Sprachangebote sollten daher, um effektiv zu sein, dort angesiedelt werden, wo sich Frauen bzw. Mütter aufhalten, ergab sich aus der Diskussion.
Ein weiterer Punkt, der an dem Abend angesprochen wurde, war das Empowerment, welches für geflüchtete Frauen durch Aufklärungs- und Bildungsarbeit entstehen kann und eine Kettenreaktion der Integration in Gang setzen kann. Bei unserer Diskussion wurde aber auch die Situation von geflüchteten Männern in den Blick genommen. Die Frage nach der gleichberechtigten Teilnahme dürfe nicht allein ausgehend von Frauen beantwortet werden. In der Diskussion mit den Gästen stellte sich heraus, dass das Einbeziehen der Männer und deren Aufklärung wichtiger Bestandteil erfolgreicher Arbeitsmarktintegration geflüchteter Frauen ist. Um Emanzipationsbemühungen von neu in Deutschland lebenden Frauen erfolgreich werden zu lassen, muss somit zeitgleich die Emanzipation männlicher Geflüchteter von eventuell vorliegenden Geschlechterstereotypen gelingen. Dies könne auch für die Männer eine befreiende Erfahrung sein, da diese derzeit Beratungsangebote im Vergleich zu Frauen noch schwächer nutzen. Die Diskussion ergab, dass eine Loslösung von eventuell vorhandenen, tradierten Rollenverständnissen die Integrationsbemühungen somit an beiden Enden des Geschlechtsspektrums weiterbringe.
Zum Abschluss betrachteten die Gäste noch einmal kritisch die Möglichkeiten zur Anerkennung ausländischer beruflicher Qualifikationen. Hier herrsche noch immer zu wenig Flexibilität und ein zu hoher Fokus auf formalen Abschlüssen und deren Vergleichbarkeit mit deutschen Bildungs- und Berufsabschlüssen. Die Teilnehmenden diskutierten die Notwendigkeit einer höheren Fokussierung auf individuellen Kompetenzen und Fähigkeiten. Hier sei das Nachvollziehen von und die Öffnung gegenüber alternativen Bildungswegen bei den Behörden besonders wichtig. Neben der aktuellen Fokussierung des Senats auf die möglichst frühe Feststellung beruflicher Kompetenzen bei Geflüchteten, sahen die Teilnehmenden auch die Steigerung von Vielfalt in der Berliner Verwaltung als möglichen Lösungsansatz.
Ein abschließender Appell unserer Veranstaltung richtete sich daran, aktuelle Spaltungsbestrebungen von Teilen der Politik nicht zuzulassen. Spaltungen durch die Hierarchisierung von Migrant*innengruppen wurden ebenso thematisiert wie das gegeneinander Ausspielen von bereits in Deutschland lebenden gegen neu zugewanderte Frauen. Letztlich profitiere die gesamte Gesellschaft von der bedingungslosen Gleichstellung der Frau. Auch in Zukunft sind daher gemeinsame Bemühungen um eine stärkere Lobby für Frauen, ob mit oder ohne Flucht- oder Migrationshintergrund, dringend nötig!
Unsere kommenden Veranstaltungen der Reihe „Polis kocht! Außen- und Europapolitik geht durch den Magen“ findest Du hier. Das Projekt wird gefördert von der Berliner Landeszentrale für politische Bildung.