von Ada Kristine Monstad
Hat der Westen einen Favoriten?: Die westliche Sicht auf die taiwanische Präsidentschaftswahl (EU & USA) (10.1.) Ada
Im Januar 2024 wird durch die Präsidentschaftswahl in Taiwan entschieden, welchen politischen Kurs die Insel in den nächsten vier Jahren einschlagen wird. Diese Wahl könnte entscheidend sein, da hierdurch womöglich Pekings und Washingtons politische Richtlinien zur Taiwan-Straße geändert werden könnten. Die drei großen Präsidentschaftskandidaten Lai Ching-Te (賴清德) (DDP), Hou Yu-Ih (侯友宜) (KMT) und Ko Wen-Je (柯文哲) (TPP) versprechen eine Beibehaltung des Status Quo, betonen jedoch, dass Taiwan de facto schon ein souveränes Land sei. Aus diesem Grund, so die Logik, müsse aus ihrer Sicht keine formelle Unabhängigkeit Taiwans erklärt werden. Jedoch unterscheiden sich die Vorgehensweisen und Rhetorik, mit denen Sie die Taiwan-Frage angehen. Die Beziehung zwischen Beijing und Taipei haben sich in den vergangenen Jahren unter der DPP-Regierung von Präsidentin Tsai Ing-wen (蔡英文) deutlich verschlechtert. Zu Beginn ihrer Amtszeit brach man von chinesischer Seite den Kontakt zur taiwanischen Seite ab. Der Besuch der ehemaligen Sprecherin des US-Repräsentantenhauses,Nancy Pelosi, in Taiwan 2022 und Tsai Ing-wens Zwischenlandung in den USA 2023 führten zu chinesischen Militärübungen in der Taiwan-Straße. Peking strebt derweil zumindest rhetorisch entschlossen nach einer „Wiedervereinigung“, die im besten Falle friedlich vorhergehen sollte. Jedoch schließe man nicht aus, militärische Macht zu nutzen, um dieses Ziel zu erreichen.
Je nachdem, wer nächstes Jahr das Amt in Taiwan übernimmt, könnte sich Pekings Vorstellung davon, wie eine Vereinigung mit Taiwan aussehen soll, ändern.
Aus diesem Grund beobachten die Vereinigten Staaten die politische Entwicklung in Taiwan genau, jedoch zurückhaltend. Sowohl China als auch die USA haben große innenpolitische Herausforderungen , weshalb man eine direkte Konfrontation in naher Zeit vermeiden möchte.
Die offizielle Stellungnahme der USA und der EU
De facto liegen keine Stellungnahmen der USA und EU zur taiwanischen Wahl vor, da die USA und EU offiziell die Ein-China-Politik verfolgen und respektiv keine diplomatischen Beziehungen unterhalten.
Im Kontext der Normalisierung der diplomatischen Beziehungen zwischen den USA und der Volksrepublik China (VRC) leitete man 1979 unter Jimmy Carters Regierung eine neue China-Politik ein. Die US-Regierung erkennt seitdem die VRC als offiziellen Vertreter Chinas an. Für die Republik China (Taiwan) bedeutet dies, dass die amerikanische Regierung keine offiziellen diplomatischen Beziehungen mit der taiwanischen Regierung führen kann. Die Volksrepublik China definiert Taiwan als eine Territorie des Festlandes, welches die USA als Aussage nur wahrnimmt, aber nicht anerkennt.
Durch den “Taiwan Relations Act”, der im US-Kongress 1979 verabschiedet wurde, betont Washington jedoch weiterhin die Aufrechterhaltung einer inoffiziellen Beziehung zwischen zu Taiwan, zum Beispiel durch sogenannte “Institute”, die die Rolle einer quasi-Botschaft erfüllen. Zudem verpflichtet sich die USA, Taiwan militärisch zu unterstützen.
Wie Washington verfolgt auch Brüssel eine Ein-China-Politik, unterhält jedoch enge wirtschaftliche Beziehungen zu Taiwan, zum Beispiel durch jährliche bilaterale Handelsberatungen. Zum Wahlkampf in Taiwan verhält sich die EU jedoch zurückhaltend und es ist schwer einzuschätzen, ob und – wenn ja – welche Haltungen sie gegenüber dem politischen Wettrennen einnehmen.
Natürlich könnte dies durch die Ein-China-Politik erklärt werden, jedoch auch durch mangelnde eigener politische Analysen. Hier muss jedoch bedacht werden, dass innerhalb der EU unterschiedlich mit Taiwan umgegangen wird. Zurzeit sind es Tschechien und Litauen, die ihre Beziehung mit Taiwan stärken. So setzte etwa der tschechische Präsident Petr Pavel einen historischen Präzedenzfall, da er 2023 direkten Kontakt mit Präsident Tsai Ing-wen hatte – was noch kein Staatsoberhaupt in der EU zuvor gemacht
US-Strategie zu Taiwan heute
Derzeit ist man in Washington daran interessiert, den Status Quo in der Taiwan-Frage beizubehalten, wodurch eine politische und militärische Ambiguität entsteht. Zu mehreren Anlässen hat Präsident Joe Biden bestätigt, dass die USA Taiwan im Falle eines chinesischen Angriffs militärisch unterstützen würden. Gleichzeitig wurde jedoch auch betont, dass die USA keine taiwanische Unabhängigkeit unterstütze. Diese “Dual Deterrence” Strategie soll verhindern, dass eine Veränderung des Status Quo entstehen könnte. Aufgrund dieser Strategie könnten die Volksrepublik und Taiwan nicht sicher sein, wie die USA in einer direkten Konfrontation zwischen der Volksrepublik und Taiwan reagieren würden.
Unter der Präsidentschaft von Biden intensivierten sich die Spannungen in den Beziehungen zwischen den USA und China, was zu mehreren bedeutenden Konfliktpunkten führte. Vor allen Dingen der Besuch von Nancy Pelosi in Taiwan und Tsai Ing-wens Besuch in den USA führten zu starken chinesischen Reaktionen. Dadurch, dass die Definition der Status Quo Frage und die Ein-China-Politik nur vage von Washington definiert werden, hat es für die Beziehung zwischen Taipei und Washington bis jetzt einen großen Spielraum gegeben . – jedoch bleibt die Frage offen, wie lange Peking diesen Zustand noch tolerieren wird.
Gibt es den ‘perfekten’ Kandidaten für die USA?
Der aktuelle Vizepräsident Taiwans sowie Nachfolgekandidat von Tsai Ing-wens – Lai Ching-Te hatte in früheren Jahren seine Sympathie für eine taiwanische Unabhängigkeit bekundet. Beispielsweise bezeichnete er sich selbst als ‚Worker for Taiwanese Independence‚, um seinen Entschluss, die Souveränität Taiwans zu verteidigen, zum Ausdruck zu bringen.“
Lai hat im Wahlkampf seine Rhetorik zur Unabhängigkeit gemildert, auch unter dem Druck der USA. Nach Lais jüngeren Aussagen sei Taiwan de facto ein unabhängiger Staat, weshalb man keine formelle Unabhängigkeitserklärung benötige und somit sein Ziel sei, den Status quo beizubehalten. Von der offiziellen chinesischen Seite aus wird Lai Ching-te beschuldigt, eine separatistische Seite einzunehmen. Washington hat seine Bedenken gegenüber Lai, da es aus diesem Grund zu größeren Spannungen in der Taiwan-Straße kommen könnte. Im Gegensatz zu seinen Gegenkandidaten kann man sich auf der amerikanischen Seite wahrscheinlich sicher sein, dass durch Lais Präsidentschaft eine enge Beziehung zwischen Washington und Taipei erhalten wird. Eine potentielle Präsidentschaft von Hou könnte die US-Taiwan-Beziehung ändern und zu Komplikationen führen. Dies hat mit dem Ziel der KMTs zu tun, sich der Volksrepublik anzunähern – auch um Spannungen in der Taiwan-Straße zu mildern. Aus der Perspektive Washingtons ist es zudem schwer einzuschätzen, wie eine Zusammenarbeit mit Ko Wen-Je aussehen wird, da die TPP eine relativ junge Partei ist und weniger an eine erkennbare Ideologie gebunden zu sein scheint. Die TPP schlägt ein Modell vor, in dem Taiwan zwischen der Volksrepublik und den USA eine dynamische Rolle spielen soll – auch um dem Inselstaat eine größere Entscheidungskraft zu ermöglichen.
Polis Blog ist eine Plattform, die den Mitgliedern von Polis180 & OpenTTN zur Verfügung steht. Die veröffentlichten Beiträge stellen persönliche Stellungnahmen der AutorInnen dar. Sie geben nicht die Meinung der Blogredaktion oder von Polis180 e.V. wieder.
Bildquelle: Frederik Schmitz
Ada studiert Chinastudien an der Freien Universität Berlin. Sie ist seit April 2022 Mitglied im Programmbereich ConnectingAsia.
Zurück