ÖSTLICHE PARTNERSCHAFT – Reformen oder Stillstand in der Ukraine und in Georgien?
Ein Bericht von Sonja Schiffers
Am 19. Juli organisierte Polis180 ein Hintergrundgespräch zum Thema Reformen in Georgien und der Ukraine im Kontext der Östlichen Partnerschaft (ÖP) der EU. Andreas von Brandt, stellvertretender Referatsleiter Südkaukasus und Zentralasien im Auswärtigen Amt berichtete über Erfolge und Schwierigkeiten der Reformpolitik in Georgien sowie deutsches Engagement zur Unterstützung der wirtschaftlichen und politischen Westorientierung des Landes. Wilfried Jilge, Programmmitarbeiter im Robert-Bosch-Zentrum für Mittel- und Osteuropa, Russland und Zentralasien der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP), teilte als ausgesprochener Kenner der Ukraine kritische und optimistische Eindrücke über die Hürden des Transformationsprozesses eines vom hybriden Krieg gezeichneten und von alten Eliten korrumpierten Staates. Das Gespräch wurde von Sonja Schiffers moderiert.
Das Gespräch startete mit der oberflächlichen Beobachtung, dass sich in Tiflis und Kiew in den letzten Jahren viel verändert hat. Vor allem junge Menschen diskutieren Politik so leidenschaftlich wie wahrscheinlich nie zuvor und bringen sich in politische Entscheidungsfindungsprozesse ein, eröffnen Cafés und Modegeschäfte und feiern in den Clubs der Städte, die beide bereits als „neues Berlin“ bezeichnet wurden, bis in die Morgenstunden. Aber wie steht es um die demokratischen Reformprozesse? Wird das positive Bild auf den zweiten Blick bestätigt? Welche Reformen stocken, welche schreiten voran? Und was sind die größten Herausforderungen?
Wilfried Jilge betonte, dass die Ukraine sich in einer Schlüsselphase befindet: Justizreform und der Kampf gegen die Korruption seien von besonderer Bedeutung, da sie direkt mit der Macht von alten und neuen Eliten zusammenhingen. Während in einigen Bereichen bereits wichtige Veränderungen vorangebracht worden seien, würden Reformen zur Stärkung des Rechtsstaates und der Unabhängigkeit der Justiz entweder blockiert (Reform der Staatsanwaltschaft) oder nicht ausreichend konsequent betrieben (Reform des Gerichtswesens). Der Krieg im Osten der Ukraine sei natürlich ein Hindernis für umfassenden politischen Wandel, werde aber bisweilen von einigen Vertretern der Staatsführung und politischen Eliten „benutzt“, um unliebsame Veränderungen und Reformen zu umgehen, aufzuschieben oder zu verwässern. Der Sicherheitsdienst der Ukraine verfüge weiterhin über umfassende Kompetenzen, agiere aber häufig intransparent. Wichtige Erfolge seien aber beispielsweise die Schaffung des NABU (Nationales Anti-Korruptionsbüro), die Einführung von proZorro, einer Software, die zur Transparenz im öffentlichen Beschaffungswesen beiträgt, oder Reformen im Energiebereich.
Andreas von Brandt betonte, dass Georgien seit der Rosenrevolution 2003 bereits viele erfolgreiche Veränderungen durchgeführt habe, vor denen die Ukraine erst noch stehe. Im Korruptionskampf konnte Georgien große Erfolge verbuchen – auf unterer Ebene wurde Korruption fast gänzlich ausgemerzt, auf höherer Ebene gebe es aber auch in Georgien noch Verbesserungsbedarf. Dennoch – alles, was mit Regierungsführung zu tun hat, habe sich relativ vielversprechend entwickelt. Darüber hinaus erläuterte Andreas von Brandt, dass Georgien zwar sehr viele Gelder für die Reformen erhielt, aber auch anerkannt werden müsse, dass das Land auch etwas daraus gemacht habe – was nicht immer der Fall sei. Allerdings gab es in den letzten Monaten auch kritische Entwicklungen: Beispielsweise erregten einige Aspekte der umstrittenen Verfassungsreform und der Fall des aus Tiflis nach Baku entführten aserbaidschanischen Journalisten Afgan Mukhtarli auch im Auswärtigen Amt Aufmerksamkeit.
Die DCFTAs (Deep and Comprehensive Free Trade Areas mit der EU) bezeichneten von Brandt und Jilge als große Chance für Georgien und die Ukraine, ihre Märkte wettbewerbsfähig zu machen und vom Handel mit der EU zu profitieren – in beiden Ländern habe dieser bereits signifikant zugenommen. Dennoch fehlten Investitionen, was in der Ukraine neben inneren Faktoren (z.B. Defizite im Bereich Rechtsstaat und mangelnde Rechtssicherheit) vor allem mit dem aktuellen Konflikt zusammenhänge, in Georgien hingegen mit dem Image des Landes, das immer noch vom Krieg 2008 geprägt sei, und mit der geringen Größe des georgischen Marktes. In Georgien gebe es großes Potenzial, Erfolge in der Landwirtschaft zu verbuchen, die erst in den letzten Jahren wieder als interessanter und wichtiger Wirtschaftszweig angesehen werde.
Interessant wird zu beobachten sein, was beim kommenden Gipfel der östlichen Partnerschaft, der am 24. November 2017 in Brüssel stattfinden wird, passieren wird. Welche „Karotten“ können den assoziierten Staaten Ukraine, Georgien und der Republik Moldau noch angeboten werden? Wie stark sollten besonders ukrainische Reformprozesse von der EU ausgehen und/oder kontrolliert werden? Und wie kann man mit anti-demokratischen-Kräften in den ÖP-Staaten umgehen, wenn auch innerhalb der EU Demokratie- und EU-Skepsis immer weiter wachsen?
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Das Gespräch hat gezeigt, dass in der jungen deutschen Öffentlichkeit großes Interesse an den Transformationsprozessen in Osteuropa und der östlichen Partnerschaft besteht. Wenn ihr euch einbringen möchtet und die Arbeit von Polis180 zu diesem Thema fortführen möchtet, meldet euch bei Diana Klie und Niklas Kossow, Polis180-Programmbereichsleiter*innen für Ost-West-Beziehungen! Sie unterstützen euch dabei gerne.