Polisblog
23. Januar 2017

Was lehrt uns Populismus? Demokratien brauchen den öffentlichen Diskurs! (2.Teil)

Populismus ist ein Modewort und dass sich viele Menschen für seine Hintergründe und Auswirkungen interessieren, zeigte die hohe Besucherzahl unserer Veranstaltung ‘Was lehrt uns Populismus?’, die am 11. Januar 2017 in Berlin stattfand. Die geladenen ExpertInnen Isabell Hoffmann, Daniel Hegedüs, David Ehl und Ulrike Zeigermann waren sich einig: Positive Schlüsse sollten aus dem Phänomen Populismus nur sehr differenziert gezogen werden.

Ein Beitrag von Clara Kemme

 

Die einzig wahre Strategie gibt es nicht

Die Meinungen gingen auseinander im Hinblick auf die Frage, wie man dem Populismus entgegentreten muss. Ist Populismus ein rhetorisches Mittel, das als Antwort einer ähnlichen Rhetorik bedarf? Das könnte das politische Klima weiterhin vergiften und von relevanten Inhalten ablenken. Eine Rhetorik von Gut und Böse würde eine Entfremdung unterschiedlicher Gruppen und Meinungen nach sich ziehen. Eine strenge Kategorisierung sollte ebenfalls vermieden, stattdessen jedoch eine Entdeckung der Machtstrukturen, Akteure und Institutionen gefördert werden.

 

In den Müll mit dem Populismus!

Eine Lehre ist, dass allein mit dem Begriff „Populismus“ wenig anzufangen ist. In ihrem Blogbeitrag nominierte Ulrike Zeigermann den Begriff daher als Unwort des Jahres, weil es als neues Phänomen beschrieben werde, obwohl charakteristische Merkmale traditionell verankert seien. Dabei ist das Phänomen kaum in einem Wort zusammenzufassen. Dafür sind die Unterschiede in Europa auch viel zu groß. Die Erfolgsparteien in Osteuropa sind aus einer anderen Geschichte und Empfindung entstanden, als die Anti-Islam-Parteien in Nordwesteuropa. Wiederum die Linksparteien im Süden der EU haben ihren Aufschwung anderen Themen zu verdanken, denn dort hat nachweislich die Wirtschaftskrise die politische Landschaft in der jüngsten Vergangenheit geprägt.

 

Wird der Populismus zur Normalität?

In einigen EU-Mitgliedstaaten sind populistische Parteien bereits längst etabliert. In Italien ist der Populismus fast schon Teil einer politischen Kultur, wurde durch Silvio Berlusconi der Ton vor Jahrzehnten in jene Richtung gelenkt. In Österreich hat die rechtspopulistische FPÖ seit ihrer Gründung 1956 Regierungsverantwortung. In Polen ist die erst 2001 gegründete PiS aktuell Regierungspartei. In den Niederlanden unterstützte die Partei für die Freiheit geführt von Geert Wilders schon eine Minderheitsregierung. Und laut Prognosen stellen die niederländischen Rechtspopulisten in den anstehenden Parlamentswahlen im März höchstwahrscheinlich die Mehrheit.

 

Welche Schlüsse sollte Deutschland aus dieser Entwicklung ziehen?

Es herrschte Verwunderung und Entsetzen als auch in Deutschland der Populismus Fuß fasste. Viele hofften, die AfD komme in der Parteienlandschaft nicht weit. Die von Opportunismus und Machtwollust getriebenen Rechtspopulisten würden nicht in der Lage sein, stabile Strukturen aufzubauen, hieß es. Doch Deutschlands Nachbarländer beweisen genau das Gegenteil und deren Inhalte sind nicht zu unterschätzen. In ihrer Studie zeigt Isabell Hoffmann, dass Globalisierungsängste Wähler motiviere, extrem links oder extrem rechts abzustimmen und diese Krise lässt sich keinesfalls schnell bewältigen. Die Hoffnung, dass die Wählerschaft ihrer Partei den Rücken kehrt, sollte sie ihre Versprechen nicht wahr machen, hat sich bisher jedoch nicht bestätigt. Populistische Parteien haben einen Nährboden, der ihnen viele Fehler erlaubt. Denn solange sie die brisanten Themen bedienen können, scheint es nicht so wichtig, wie sie andere politische Fragen beantworten.

 

Europa darf sich nicht entführen lassen

Die Strategie, Themen zu setzen, die nicht von einer populistisch aufgemachten Debatte ausgehen, wie David Ehl es in seinem Blogbeitrag vorschlägt, ist sicherlich wichtig. Proaktive Handlungen vermitteln Identität. Zugleich darf man nicht erlauben, dass die Populisten mit ihren Inhalten davonlaufen. Daniel Hegedüs hingegen warnt vor dem Euroskeptizismus, den er mit dem Populismus gleichsetzt.

So unterschiedlich der Kontext in jedem Land ist, populistische Parteien teilen die nunmal gleiche Strategie, indem sie die EU verschmähen und somit eine starke Identität annehmen. Die Elite in Brüssel wird zum Buhmann gemacht und im Gegenzug werden die eigenen Parolen legitimiert. Zugleich schweigt die andere Seite. Das Ukraine-Referendum in den Niederlanden beispielsweise führte nicht zu einer Grundsatzdiskussion über die Europäische Union, obwohl es die Vorlage dafür hätte sein können. Die Vision für die EU und ganz Europa fehlt dringend. Doch eben diese Debatte muss von den etablierten Parteien angestoßen werden und nicht nur von Populisten. Denn wo würde sich unsere Demokratie hinbewegen ohne öffentlichen Diskurs?

 

Der Beitrag stammt aus dem Programm EU und ist der letzte Teil der Populismus-Blogserie, für die sowohl Mitglieder von Polis180 als auch externe Experten Artikel verfassen.

Das Polis Blog ist eine Plattform, die den Mitgliedern von Polis180 zur Verfügung steht. Die veröffentlichten Beiträge stellen persönliche Stellungnahmen der AutorInnen dar. Sie geben nicht die Meinung der Blogredaktion oder von Polis180 e.V. wieder. Image source: „The New York Times on the New Art of Flickr“, Thomas Hawkhttp://bit.ly/2j7HLKE, lizensiert unter Creative Commons license 2.0.: https://creativecommons.org/licenses/by/2.0/.

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