Polisblog
4. Januar 2017

Gekommen, um zu bleiben: Der neue Populismus (2.Teil)

Der Populismus hat sich angeschlichen und viele von uns erschreckt. Aber was hat die Populismusforschung getan, als wir den Brexit für absurd hielten und über Donald Trump lachten? Der Politikwissenschaftler Daniel Hegedüs behandelt in seinem Artikel die Bedeutung des Populismus für die Demokratie und für Europa und hier ist meine Antwort darauf.

Ein Beitrag von Anna Leßmann

 

Im Kern macht Daniel Hegedüs in seinem Blogbeitrag zwei Schwachstellen der Populismusforschung aus. Erstens bewerte sie den Populismus nicht per se als undemokratisch, wohingegen Hegedüs der Ansicht ist, dass der Populismus in seinem illiberalen Charakter eine Gefahr für unsere liberalen Demokratien sei. Zweitens wird laut des Experten der Populismus oft ausschließlich in seiner nationalpolitischen Dimension und kontextunabhängig sowie der Euroskeptizimus als sekundärer Ergänzungsdiskurs betrachtet, der er aber nicht ist. Beides sei einander ebenbürtig, schlimmer noch ermögliche der Euroskeptizimus die Auslagerung des populistischen Diskurses und damit seine Verstetigung. An dieser Stelle wird es richtig spannend, aber zuvor möchte ich auf den ersten Punkt eingehen.

 

Populismus ist schlecht für die Demokratie, oder?

Die Wissenschaft steht oft vor dem Problem, Dinge begründen zu müssen, die einem zunächst intuitiv erscheinen. Wie könnte der ‚hasserfüllte‘ Populismus, der uns aus allen Kanälen entgegenkommt, nicht undemokratisch sein? Wie könnte er nicht unsere Demokratie gefährden? Das Schöne an der Wissenschaft ist ja, dass sie nicht der postfaktischen Erklärung erlegen ist und sich um Begründung und Differenzierung bemüht. Doch treten wir einen Schritt zurück und betrachten den Populismus als solches.

Auf den ersten Blick scheint es tatsächlich nicht undemokratisch, wenn PolitikerInnen sagen, was ihre WählerInnen hören wollen. In den USA ist der Begriff beispielsweise deutlich positiver besetzt, unter anderem geprägt durch die US People’s Party, die sich im späten 19. Jahrhundert für die Rechte der Landbevölkerung einsetzte. Hingegen ist der Begriff Populismus in Deutschland mit Schwarz-Weiß-Denken, scheinbar einfachen Lösungen und einem opportunistischen Machtstreben verbunden. Einhergehend mit einer signifikanten Verschiebung der Sagbarkeitsregeln, scheint der Populismus eine gravierende Gefahr für die Demokratie zu sein, auch da seine dichotome Rhetorik dem Bild der informierten Wählerschaft diametral gegenübersteht und die Macht hat, den Diskurs aktiv zu verschieben.

 

Kampfansage: Euroskeptizismus

Doch wie oben angekündigt, kommt hier der spannendste Punkt des Artikels, der gleichzeitig die größte Schwachstelle aufzeigt. Daniel Hegedüs stellt fest, dass der Euroskeptizimus nicht nur ein sekundärer Ergänzungsdiskurs, sondern eine extrem gefährliche Auslagerung des Populismus ist. Diese ermögliche es trotz Regierungsverantwortung, zum Machterhalt bei einem populistischen Duktus zu bleiben.

Die Forschung ging lange davon aus, dass populistische Parteien entzaubert werden, sobald sie regieren und sich langfristig nicht stabilisieren können. In seinem Artikel begeht Hegedüs jedoch den Fehler, den Euroskeptizismus unzureichend zu definieren. Aus dem Kontext des Populismus erschließt sich, dass Hegedüs von einer grundlegenden Ablehnung der Europäischen Union und der europäischen Idee spricht, wahrscheinlich gepaart mit einer opportunistischen Schuldzuweisung. Allerdings unterscheiden etwa Alexs Szczerbiak und Paul Taggard zwischen weichem und hartem Euroskeptizismus, also der grundlegenden Ablehnung (hard) und einer Opposition zu aktuellen Entwicklungen (soft).

Petr Kopecký und Cas Mudde bezeichnen Menschen als EuroskeptikerInnen, die europhil sind, aber aktuelle Entwicklungen ablehnen, wohingegen Menschen, die europhob sind und aktuelle Entwicklungen ablehnen, als “Eurorejects” gekennzeichnet werden. Da Kritik an den EU-Institutionen in einem demokratischen Europa notwendig und wünschenswert ist, halte ich es daher für problematisch, alle Formen des Euroskeptizimus verschwimmen zu lassen. Das ändert nichts daran, dass dieser populistische Euroskeptizimus ein besonders bedrohlicher und haltbarer Populismus ist. Jedoch scheint Hegedüs in seinem Outsourcing-Argument zu übersehen, dass der Populismus seine Ziele schon immer auch jenseits der nationalen Grenzen gefunden hat, so etwa im Antiamerikanismus oder Antisemitismus.

 

Was tun?

Die Lektüre des Artikels von Hegedüs verdeutlicht, wie gefährlich der Populismus für die Demokratie tatsächlich ist und dass er sich im Euroskeptizimus verstetigen kann. Er gefährdet die liberale Gesellschaft und ein geeintes Europa. Die Hoffnung, dass es sich nur um eine Phase handelt, die vorbeigehen wird und die PopulistInnen, wenn sie erst einmal an der Macht sind, ihre radikale Haltung aufgeben müssen, schwindet. Doch liegt in der Gefahrenerkennung auch die Chance zum Widerstand. Wir jungen EuropäerInnen haben die Möglichkeit, unsere liberalen Demokratien und unser Europa zu verteidigen. Wir müssen folglich aufklären, gegenhalten und nicht einer radikalen Minderheit das Feld überlassen.

 

Der Beitrag stammt aus dem Programm EU und ist Teil der Populismus-Blogserie, für die sowohl Mitglieder von Polis180 als auch externe Experten Artikel verfassen. Im Zuge der Serie findet am 11. Januar 2017 eine Veranstaltung in Berlin statt.

Das Polis Blog ist eine Plattform, die den Mitgliedern von Polis180 zur Verfügung steht. Die veröffentlichten Beiträge stellen persönliche Stellungnahmen der AutorInnen dar. Sie geben nicht die Meinung der Blogredaktion oder von Polis180 e.V. wieder. Image source: „Populism“, Dr Casehttp://bit.ly/2hzlR2V, lizensiert unter Creative Commons license 2.0.: https://creativecommons.org/licenses/by/2.0/.

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