Eine neue Sicherheitskooperation zwischen Russland und dem Westen sollte im Interesse der EU sein. Jedoch müssen zunächst klare Bedingungen formuliert werden.
Ein Beitrag von Rahel Freist-Held
Seit seiner Entscheidung, militärisch gegen den Islamischen Staat (IS) in Syrien einzugreifen, scheint Wladimir Putin auf der internationalen Bühne wieder über eine lautere Stimme zu verfügen. Russland ist zurück im Rampenlicht, als entschiedener Retter Syriens vor dem wütenden IS – so zumindest möchte es der russische Präsident dargestellt wissen.
Russland bangt um seine Marinebasis in der syrischen Stadt Tartus
Die Bedingung: Baschar al-Assad bleibt, mindestens für den Moment. Die Souveränität des Autokraten ist für Russlands Regierung unantastbar, was unter anderem an den eigenen wirtschaftlichen, sicherheits- und geopolitischen Interessen liegt. Für Russland geht es dabei auch um die Sicherung der wichtigen Marinebasis in der syrischen Stadt Tartus, die durch das Vordringen des IS in Gefahr geraten ist. Tatsächlich handelt es sich bei der syrischen Marinebasis um den einzigen russischen Militärstützpunkt außerhalb des post-sowjetischen Raumes.
Neben seinen sicherheitspolitischen Interessen pflegt Russland nach wie vor wirtschaftliche Beziehungen zu Syrien. Anna Borshchevskaya vom Washington Institute hält fest, dass Syrien sich vor Beginn der Aufstände im März 2011 zum größten Abnehmer russischen Militärguts entwickelt hat. Russische Firmen haben, Borshevskaya zufolge, ungefähr 20 Milliarden US-Dollar in Syrien investiert. Mit dem Sturz von Assad könnten diese Investitionen zum Teil verloren gehen, schreibt Borshevskaya.
Russland sonnt sich wieder im Rampenlicht – als Weltmacht
Russlands außenpolitische Bemühungen und sein militärisches Engagement in Syrien sind von wirtschaftlichen und geopolitischen Interessen geprägt. Dass Assad eine ebenso große Gefahr für die syrische Bevölkerung darstellt wie der IS, scheint dabei keine signifikante Rolle zu spielen. Seit 2011 verhandelt die UN über ein mögliches Vorgehen gegen Assads gewaltvolle Unterdrückung der eigenen Bevölkerung. Die eingebrachten Resolutionen wurden von Russland stets per Veto verhindert.
Angesichts des Vordringens des IS steht die Weltgemeinschaft gleichzeitig unter immer mehr Druck. Bisher hat es der Westen nicht vermocht, den IS mit vereinten Kräften zu stoppen, viel mehr das Leid der Menschen zu verringern. Die russische Regierung hat sich nun zum Ziel gesetzt, das Assad-Regime gegen den IS zu verteidigen. In Frankreich, Großbritannien, Deutschland sowie in den USA, die jegliche Kooperation mit dem syrischen Machthaber zunächst für ausgeschlossen halten, stellt sich die immer drängendere Frage, ob die bisherige Syrien-Politik überdacht werden muss. Russlands militärische Offensive erhöht demnach gleichzeitig den internationalen Druck, im Krieg gegen den IS endlich entschieden zu handeln.
Putins Syrien-Offensive könnte ebenso ein strategisch kluger Schachzug sein, um wieder als global player anerkannt zu werden. Der russischen Germanistin Irina Scherbakowa zufolge, versucht Putin darüber hinaus mit dem Syrieneinsatz, die russische Bevölkerung von innenpolitischen Problemen abzulenken. Das Bild eines äußeren Feindes, der bekämpft werden muss, stabilisiert Putins Präsidentschaft. Wie erfolgreich Russland mit dieser Politik auf lange Sicht jedoch ist, wird sich noch zeigen.
Die Sicherheitskooperation könnte der Beginn einer langfristigen Zusammenarbeit sein
Es besteht kein Zweifel, dass Europa ein elementares Interesse daran haben sollte, wieder verstärkt in eine Sicherheitskooperation mit Russland einzutreten. Die Gelegenheit muss genutzt werden, um verhärtete Fronten aufzuweichen und äußeren Bedrohungen gemeinsam entgegenzutreten. Vor allem die Europäische Union, die eine Kooperation mit Russland im Kampf gegen den Terrorismus als notwendig erachtet, sollte dies als Chance sehen.
Eine Sicherheitskooperation nur auf den IS zu beziehen, wäre jedoch zu kurz gegriffen. Vielmehr sollte sie als ein potenzieller Beginn einer langfristigen Zusammenarbeit mit Russland in der Zukunft verstanden werden. Gerade deshalb gilt es, die Interessen der russischen Regierung in Syrien kritisch zu analysieren und klare Bedingungen in der Zusammenarbeit zu formulieren.
Gabriels Forderung zur Lockerung der Sanktionen spielt den Krieg in der Ukraine herunter
Eine nicht verhandelbare Vorbedingung für die Zusammenarbeit wäre eine schnelle Umsetzung von Minsk II und die volle Anerkennung der ukrainischen territorialen Integrität. Sigmar Gabriels Vorschlag zur Lockerung der Sanktionen gegenüber Russland, würde hingegen nicht nur den Krieg in der Ukraine herunterspielen, sondern die Grundregeln einer neuen europäischen Sicherheitskooperation missachten. Mit der OSZE-Präsidentschaft 2016 hat Deutschland die Möglichkeit, enger mit deren Mitgliedsstaaten, darunter auch Russland, zusammenzuarbeiten, um gemeinsam internationale Herausforderungen wie die Terrorismus-Bekämpfung anzugehen. Gleichzeitig wird die OSZE eine geeignete Plattform bieten, um klare Bedingungen für neue Sicherheitskooperationen zwischen der EU und Russland zu definieren.
Polis-Event „Food for Thought“ am 2. November: Ausgewählte Nachwuchs-ExpertInnen von Polis180 und foraus haben zusammen mit Gernot Erler, dem Sonderbeauftragten des deutschen OSZE-Vorsitzes 2016, Frank Evers vom Centre for OSCE Research, Ernst-Christoph Meier, verantwortlich für die OSZE im Verteidigungsministerium, und Tim Guldimann, dem ehemaligen Ukrainebeauftragten des Schweizerischen OSZE-Vorsitzes 2014, die Chancen und Herausforderungen des deutschen OSZE-Vorsitzes erörtert.
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