POLIS TEATIME, DIE ZWEITE

Eine KSZE für den Nahen und Mittleren Osten?

Mit Wolfgang Richter von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) diskutiert Polis180 bei Tee und Gebäck die Frage, ob der KSZE-Prozess Modellcharakter für den Nahen und Mittleren Osten haben kann.

Es ist Freitag, die Uhr schlägt fünf, Kaffee und Kuchen stehen auf dem Tisch und junge Nachwuchs-ExpertInnen strömen in ein kleines Café im Herzen Kreuzbergs. It’s Polis-Teatime II, diesmal mit Wolfgang Richter, sicherheitspolitischer Experte der SWP und ehemaliger Leiter des militärischen Anteils der Ständigen Vertretung Deutschlands bei der OSZE in Wien.

Kann der KSZE-Prozess Modellcharakter für den Nahen und Mittleren Osten haben? Um diese Frage dreht sich die zweistündige Diskussion, die Wolfgang Richter mit einer Analyse zum historischen Kontext der „Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa“ (KSZE) im Kalten Krieg eröffnet. In einer Gegenüberstellung der Konflikte der 70er- bzw. 80er-Jahre und der heutigen Vorgänge im Nahen Osten zeigt er fundamentale Unterschiede auf. Während die internationale Ordnung des Kalten Kriegs maßgeblich durch ein bipolares Kräfteverhältnis bestimmt wurde, zeichnet sich der Nahe und Mittlere Osten heute durch komplexe Multipolarität aus. Die Interessen der verschiedenen staatlichen und nicht-staatlichen Akteure klaffen weit auseinander, die Agenden der regionalen Mächte wie Iran, Saudi Arabien und der Türkei sind Teil des Konflikts und nicht der Lösung. Interessengesteuertes (Ver-)Handeln und verminderte Bereitschaft zu Kompromissen erschwert die ohnehin komplexe Lage.

Ein fundamentales Interesse der ehemaligen Sowjetunion in den KSZE-Verhandlungen während der 70er- und 80er-Jahre war der Erhalt des Status quo, der die territoriale Integrität und das Selbstbestimmungsrecht der Völker nicht im Ausmaß gegenwärtiger Konflikte in Frage stellte. Rationalität und Kompromissbereitschaft des „Westens“ und der Sowjetunion waren dabei essenzielle Bedingung für den Erfolg der KSZE. Ein Blick Richtung Nahen und Mittleren Osten und vor allem nach Syrien genügt, um genau das Gegenteil dessen festzustellen. Der Erhalt des Status quo ist nicht mehr primäres Ziel der Konfliktparteien – vielmehr kämpfen verschiedenste staatliche und nichtstaatliche Akteure um territoriale Zugewinne und neue Einflusszonen in Syrien.

Der Frontverlauf zwischen den verschiedenen kämpfenden Fraktionen in Syrien, den Richter nachzeichnet, veranschaulicht die eingefahrene Situation des blutigen Bürgerkriegs und lässt die TeilnehmerInnen nachdenklich zurück. Jegliche rasche Befriedung des Konflikts scheint in weiter Ferne.

Kann der KSZE-Prozess demnach keinen Modellcharakter für den Nahen und Mittleren Osten haben? Wolfgang Richter und viele TeilnehmerInnen sehen das nicht so. Die Konflikte des Kalten Krieges sowie des Nahen und Mittleren Ostens weisen zwar fundamentale Unterschiede auf, dennoch könnte das Konzept der KSZE als Grundlage für eine künftige Nachkriegsordnung dienen. Auch in Europa galt das Konzept gemeinsamer Sicherheit lange als eine Utopie, ihre unmittelbare Verwirklichung zog sich Jahrzehnte hin.

Polis’ konstruktiv-optimistischer Ansatz und ein „Schuss Realismus“ à la Wolfgang Richter dienen uns auch weiterhin als Anreiz, Formen einer stabilen Nachkriegsordnung für den Nahen Osten weiterzudenken. Daher packen wir das Thema in einer eigenen Polis-Arbeitsgruppe an, die nachhaltige und innovative Lösungskonzepte für diese große Herausforderung des neuen Jahrhunderts entwickelt.

Du willst mitmachen? Dann melde dich doch einfach bei rahel.freist-held@polis180.org !

PROJEKTLEITER

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Rahel Freist-Held

Rahel studiert Sozialwissenschaften und Kulturwissenschaft an der Humboldt-Universität zu Berlin und Universität von Amsterdam. Erfahrungen sammelte sie unter anderem mit der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) in Johannesburg und im Abgeordnetenbüro des OSZE-Sonderbeauftragten, Gernot Erler. Derzeit arbeitet sie als Werkstudentin im Hauptstadtbüro der Körber-Stiftung im Bereich Internationale Politik.

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Daniel Hilgert

Daniel studiert Geschichte im Master an der Humboldt-Universität zu Berlin und hat zuvor Geschichte und Politikwissenschaft an der LMU München und der Tel Aviv University studiert. Seit Februar 2015 ist er am Aufbau von Polis180 beteiligt und leitet das Programm Frieden & Sicherheit.

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