Seit 2021 ist Klimaaußenpolitik ein zentraler Bestandteil des Auswärtigen Amts. Doch mit der schwarz-roten Koalition steht sie vor einer ungewissen Zukunft: Wird sie aus- oder rückgebaut? Angesichts der enormen globalen Herausforderungen sollte die Richtung eindeutig sein.
Ein Blogbeitrag von Linus Steinmetz
1. Klimaaußenpolitik im Auswärtigen Amt: Mehr als nur Symbolik
Als Annalena Baerbock im Dezember 2021 das Auswärtige Amt (AA) übernahm, setzte sie ein Zeichen: Klimapolitik sollte nicht länger ein Randthema der Diplomatie sein, sondern eine zentrale außenpolitische Priorität Deutschlands. Sie verlagerte die Verantwortung für die UN-Klimaverhandlungen vom Umweltministerium (BMUV) ins diplomatisch schlagkräftigere AA und strebte eine global gedachte Klimadiplomatie aus “einer Feder” an. Ziel dieser Strategie war es, Klimafragen in der Arbeit aller 226 deutschen Auslandsvertretungen zu verankern – von Südafrika bis Kanada. Ein besonderes Signal war die Berufung von Jennifer Morgan, ehemalige Greenpeace-International-Chefin, zur Staatssekretärin und Sonderbeauftragten für internationale Klimapolitik.

Doch mit der Zeitenwende wuchsen die Zweifel. Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine im Februar 2022 wurde die Klima-außenpolitische Neuausrichtung häufig als bloße Symbolpolitik verstanden. War die ambitionierte Klimadiplomatie überholt mit Blick auf harte militärisch-politische Realitäten wie in der Ukraine oder humanitäre Notlagen wie in Gaza oder dem Sudan? Oder hat Annalena Baerbock trotz alledem eine notwendige strategische Weichenstellung vorgenommen, die gerade in geopolitisch unruhigen Zeiten an Bedeutung gewinnt? Die zentrale Frage bleibt: Wird sich die Klimaaußenpolitik als langfristige Säule der deutschen Außenpolitik etablieren – oder bleibt sie eine Randnotiz in einer zunehmend volatilen Weltordnung? Die Anzeichen fallen klar aus: Gerade in einer von Krisen geprägten Welt kann und muss deutsche Klimadiplomatie zum Erfolgsmodell werden.
2. Deutschlands Klimadiplomatie: Ein neues Erfolgsmodell?
Im Kern hat Deutschland in der multilateralen Klimadiplomatie über die vergangenen drei Jahre beachtliche Erfolge erzielt – spezifisch deutsche Erfolge, die jedoch scheinbar stärker im Ausland als in Deutschland selbst rezipiert werden. Die Einrichtung des Fonds für Verluste und Schäden (Loss and Damage Fund) im Jahr 2022, der historische Beschluss zur globalen Abkehr von fossilen Energien 2023 und die Reform der internationalen Klimafinanzierung 2024 sind trotz der unzureichenden Verbesserungen wie insbesondere im Bereich der Klimafinanzierung bitter nötige Meilensteine in der Eindämmung der Klimakrise – sie sind aber auch betont deutsche Erfolge. Hinter diesen Fortschritten stand oft deutsche Vermittlungsarbeit. Deutschland – oft personifiziert durch die im internationalen Klimabereich gut vernetzte Jennifer Morgan – war federführend an der Einigung zum Loss and Damage Fund beteiligt und gab gemeinsam mit den Vereinigten Arabischen Emiraten unter anderem den entscheidenden Finanzierungsanstoß 2023. Auch die Idee verbindlicher Ausbauziele für erneuerbare Energien fand ihren Ursprung in Berlin: Baerbock brachte sie auf dem Petersberger Klimadialog erstmals ernsthaft auf internationaler Ebene ein.
Diese Erfolge zeigen, dass Klimadiplomatie mehr sein kann als moralische Rhetorik. Gerade die Partnerschaften mit Ländern des globalen Südens wie Südafrika, das durch deutsche Unterstützung seinen Kohleausstieg vorantreibt, belegen: Klimapolitik ist auch Geopolitik. Sie schafft langfristige Partnerschaften und wirtschaftliche Perspektiven – und sichert Deutschlands Einfluss in einer Weltordnung, in der die Partnerschaft zu den USA mehr als schwankt und Russland sowie China versuchen, Einfluss im globalen Süden zu gewinnen während die USA sich unter Präsident Trump entwicklungspolitisch und diplomatisch zurückziehen.
Nicht zuletzt ist Klimapolitik im Jahr 2025 eine Frage der wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit – und wird es im Jahr 2035 oder gar 2045, wenn Deutschland klimaneutral werden soll, erst recht sein. Die globale Transformation zu einer dekarbonisierten Wirtschaft und Gesellschaft wird nicht einfach stoppen, nur weil Donald Trump im Weißen Haus sitzt. Deutschlands wirtschaftlicher Erfolg im 21. Jahrhundert hängt maßgeblich davon ab, ob es gelingt, die Klimatransformation als Chance zu nutzen. Das AA muss dabei die Weichen stellen, Transformationspartner rund um den Globus finden und Deutschlands klimaneutrales Wirtschaftsmodell in die Welt tragen.
3. Schwarz-Rot und die Klimadiplomatie: Verstetigung oder Rückabwicklung?
Die neue schwarz-rote Koalition steht nun vor der Entscheidung: Soll die Klimaaußenpolitik verstetigt oder zurückgefahren werden?
Sicherlich gilt: Ministeriales Umbauen wie im Falle der Klimaaußenpolitik verläuft nie ohne Reibungen. Doch es ist imperativ, dass Schwarz-Rot begreift, dass Klimaaußenpolitik nicht mit “bündnisgrüner” Außenpolitik zu verwechseln ist. Eine Umkehr und Reintegration der Klimadiplomatie ins Umweltministerium, wie die Union es erwägt, würde nicht nur Verunsicherung im eigenen Haus, sondern auch im Ausland hervorrufen. Internationale Partner haben sich auf Deutschlands Engagement eingestellt und gerade im globalen Süden fußen zunehmend bilaterale Partnerschaften auf Deutschlands klarer Position und Expertise in der Klimapolitik. Ein abruptes Abrücken von dieser Rolle würde Vertrauen zerstören und diplomatische Glaubwürdigkeit untergraben.
Zudem zeigt die geopolitische Lage, dass Klimafragen nicht losgelöst von klassischen sicherheitspolitischen Themen betrachtet werden können. Donald Trumps Drohungen, Grönland – eine Insel, die durch die Klimakrise in Bereichen wie Schifffahrt und Bergbau immer wichtiger wird – zu annektieren, zeigen dies ebenso wie die Projektionen zu klimabedingten Migrationsströmen nach Nordeuropa. Diese und viele andere internationale Herausforderungen haben einen klaren Klimabezug. Daher müssen sie auch klimapolitisch gedacht werden – insbesondere im Auswärtigen Amt. Wer außenpolitisch handlungsfähig sein will, kann es sich nicht leisten, Klimafragen auszublenden.
Klimapolitik gehört nicht nur zu einer Partei und Klimadiplomatie ist ebenso keine parteipolitische Spielwiese, sondern ein zentraler Bestandteil einer zukunftsfähigen Außenpolitik. Der erste Schritt ist getan, die Strukturen stehen. Jetzt gilt es, sie nicht aus kurzfristigen parteipolitischen Erwägungen wieder einzureißen, sondern die deutsche Außenpolitik zukunftsfähig zu machen.
Linus Steinmetz ist seit Januar 2025 Mitglied bei Polis180 und veröffentlicht unter anderem zu Themen der Klimaaußenpolitik, Osteuropa und dem Südkaukasus. Er studiert Politikwissenschaft und Volkswirtschaftslehre in Berlin und Paris. In seiner Forschung beschäftigt er sich vor allem mit Klimasicherheit, europäischer Sicherheitspolitik und autoritären Regimen in Osteuropa und Eurasien.
Bildquelle via Wikimedia Commons.
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