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Polisblog
31. Januar 2025

Feministische Klimapolitik im Wahljahr 2025: Warum geschlechtergerechte Finanzierung Priorität braucht

Die Klimakrise verschärft bestehende soziale Ungleichheiten und trifft marginalisierte Gruppen, insbesondere Frauen und nicht-binäre Personen, unverhältnismäßig stark. Diese tragen einerseits die Hauptlast klimabedingter Schäden, wie den Verlust von Lebensgrundlagen und erhöhtes Gewaltrisiko, andererseits spielen sie eine Schlüsselrolle in der Care-Arbeit und der Entwicklung nachhaltiger Zukunftslösungen. Geschlechtergerechte Klimapolitik und -finanzierung sind daher unverzichtbar, um soziale und ökologische Herausforderungen wirksam zu bewältigen. Die aktuelle Klimafinanzierung, sowohl auf nationaler als auch internationaler Ebene, weisen jedoch Defizite in der Integration von Genderperspektiven auf. Deutschland hat sich im Rahmen des Pariser Klimaabkommens zu einer erhöhten Klimafinanzierung verpflichtet, bleibt jedoch hinter den Zielen zurück, insbesondere bei der Förderung von Klimaanpassung in besonders betroffenen Staaten. Unsere Empfehlungen umfassen die Erhebung geschlechtsspezifischer Daten, die Entwicklung intersektionaler Finanzierungsstrategien und die gezielte Förderung marginalisierter Perspektiven in Entscheidungsprozessen. Die neue Bundesregierung sollte die feministische Klimapolitik stärken, bestehende Gender-Mainstreaming-Initiativen wie den Green Climate Fund ausbauen und eine Vorreiterrolle in der EU und der globalen Klimafinanzierung übernehmen. Geschlechtergerechte Finanzierung ist essentiell, um den Klimawandel als soziale Krise zu begreifen und systemische Machtstrukturen zu überwinden. Nur durch einen inklusiven Ansatz können die Klimaziele bis 2030 erreicht und eine gerechte, nachhaltige Zukunft in Deutschland, Europa und weltweit geschaffen werden.

Ein Beitrag von Lara Franken & Hannah Dietz

Im Jahr 2024 wurde das 1,5-Grad-Ziel, auf das sich die Staaten in mühsamen und langwierigen Verhandlungen geeinigt hatten, erstmals überschritten. Doch eine effektive und geschlechtergerechte Klimafinanzierung –  ein wichtiges Mittel zur Bekämpfung des Klimawandels – bleibt ein zentrales und ungelöstes Problem. Die Klima-Allianz, ein Zusammenschluss von 150 zivilgesellschaftlichen Organisationen kritisiert, dass das Thema Klima im diesjährigen Wahlkampf lediglich eine untergeordnete Rolle spielt im Vergleich zu anderen zentralen Themen wie Wirtschaft, Verteidigung und Migration. Die Auswirkungen der Erderwärmung durch den Klimawandel haben wir in den vergangenen Wochen, Monaten und Jahren erneut deutlich gespürt. Derzeit dominieren vor allem die Brände in und um Los Angeles die Berichterstattung in den europäischen Medien. Doch über die eigentliche Ursache, den Klimawandel, wird nur selten gesprochen oder diskutiert. Wenn wir jedoch das Risiko von Hitzewellen, Dürren, Überschwemmungen und anderen Naturkatastrophen, die durch die Klimakrise ausgelöst werden, sowohl in Deutschland als auch weltweit verringern wollen, ist jetzt ein entschlossener und zielgerichteter Klimaschutz seitens der neuen Bundesregierung dringend erforderlich. Die Bewältigung des Klimawandels erfordert finanzielle Mittel, doch je länger wir zögern, desto höher werden die Kosten. Die Klimawirkungs- und Risikoanalyse 2021 für Deutschland zeigt, dass die Folgen des Klimawandels nicht nur die Versorgung mit Rohstoffen und Zwischenprodukten gefährden, sondern auch die internationalen Handelsströme und den Warentransport erheblich beeinträchtigen können. Produktionskosten steigen durch unzuverlässige Lieferketten, extreme Wetterereignisse und zunehmende Störungen im internationalen Transportwesen. Die Verzögerung von Anpassungsmaßnahmen könnte also nicht nur ökologische, sondern auch massive wirtschaftliche Kosten nach sich ziehen. Daher gilt es, in der kommenden Legislaturperiode Mittel zu mobilisieren und gezielt sowie effektiv zu investieren. Andernfalls könnten die schlimmsten Szenarien des Klimawandels zu einer ernsthaften Bedrohung für die Menschheit und unser Ökosystem werden. 

Der Klimawandel betrifft zwar alle Menschen, schafft aber zugleich ein zusätzliches Ungleichgewicht zwischen Ländern und innerhalb verschiedener gesellschaftlicher Gruppen. Die Klimakrise trifft besonders die Gruppen, die ohnehin bereits am meisten marginalisiert und benachteiligt sind. Besonders (mehrfach) marginalisierte Menschen tragen die Hauptlast klimabedingter Schäden – sei es durch den Verlust von Lebensgrundlagen, eingeschränkten Zugang zu Ressourcen und Land oder ein erhöhtes Risiko für sexualisierte Gewalt in Krisensituationen. Vor allem queere Personen sind unverhältnismäßig stark vom Klimawandel betroffen. Strukturelle Ungleichheiten wie Obdachlosigkeit, diskriminierende Notfallmaßnahmen und ein erschwerter Zugang zu Gesundheitsversorgung machen sie besonders anfällig für die Folgen des Klimawandels. Die Klimakrise ist daher nicht nur eine ökologische, sondern auch eine soziale Krise, deren Auswirkungen tief in patriarchalen und kolonialen Machtstrukturen verwurzelt sind. Darüber hinaus warnt das Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen (UNFCCC) davor, dass eine Klimapolitik, die die Geschlechterperspektive nicht berücksichtigt, kaum wirksam sei. Ganz im Gegenteil verstärkt der Klimawandel bestehende geschlechtsspezifische Normen und Diskriminierungen, etwa den Entzug von Einkommen und rechtlichen Ansprüchen sowie den Zugang zu Ressourcen oder politischer Mitbestimmung für Frauen und nicht-binäre Personen. Dies liegt vor allem daran, dass Frauen und Mädchen bei Wasser- und Nahrungsmangel häufig zuerst verzichten müssen oder gezwungen sind, längere Wege zu Wasserstellen in Dürregebieten zurückzulegen. Zudem werden Mädchen nach Umweltkatastrophen aufgrund von Nahrungs- und Geldknappheit oft früher aus der Schule genommen oder sogar früh verheiratet. Gleichzeitig stehen Frauen unter Druck, denn auch in Krisensituationen wird ihnen die Hauptverantwortung für die Versorgung ihrer Familien und die Sicherung des Lebensunterhalts auferlegt. Diese Kombination trägt zur Marginalisierung von Frauen und nicht-binären Personen in zahlreichen Gemeinschaften bei. Trotzdem übernehmen viele von ihnen zentrale Care-Aufgaben oder engagieren sich aktiv in Gemeinschaften und Bewegungen für nachhaltige Lösungen, während ihre Perspektiven in politischen und gesellschaftlichen Entscheidungsprozessen kaum anerkannt werden. Ein Fokus in der Klimapolitik einer neuen Bundesregierung auf genau diese marginalisierten Gruppen ist daher entscheidend, nicht nur um die am stärksten vom Klimawandel betroffenen Menschen zu schützen, sondern auch um Wege aus der Klimakrise zu finden.

All dies geschieht vor dem Hintergrund, dass die von den Industriestaaten bereitgestellten Mittel zur Klimafinanzierung derzeit nicht ausreichen, um den Bedarf zur Bewältigung der Klimakrise zu decken. Die europäischen und nordamerikanischen Länder, darunter Deutschland, müssen ihrer Verantwortung gerecht werden und Klimafinanzierung für die stark vom Klimawandel betroffenen Staaten bereitstellen. Schließlich haben sie über Jahrzehnte hinweg massiv von der Ausbeutung der Umwelt und umweltschädlichen Aktivitäten profitiert und ihren Wohlstand darauf aufgebaut. Die Rolle Deutschlands und Europas wird in der kommenden Legislaturperiode noch entscheidender, da Donald Trump bereits in den ersten 24 Stunden seiner Amtseinführung den Austritt der USA aus dem Pariser Klimaabkommen unterzeichnet hat und gleichzeitig verstärkt auf den Ausbau fossiler Energien setzt. Diese fossilen Energieträger haben im Jahr 2024 erneut Rekordwerte erreicht. Deutschland darf diesem Trend nicht folgen, sondern  muss stattdessen den Weg in eine nachhaltige und saubere Zukunft vorantreiben.  Wenig überraschend stocken die internationalen Verhandlungen über eine deutliche Erhöhung der Mittel zur Klimafinanzierung. Mehr zu den aktuellen Diskussionen über die Höhe der Klimafinanzierung, die im November 2024 bei der COP29 in Baku geführt wurden, könnt ihr in unserem Blogartikel “The Climate Finance Gap: A Never-Ending Promise?” von Moritz nachlesen.

Aktuell erkennt die deutsche feministische Außenpolitik in ihren Leitlinien an, dass gerechte Finanzierung notwendig ist, um die Auswirkungen der Klimakrise auf marginalisierte Gruppen auszugleichen. In der Genderstrategie der Bundesregierung ist Geschlechtergerechtigkeit als Leitprinzip verankert, wodurch alle Projekte auf ihre Auswirkungen geprüft und bei Bedarf Sicherheitsmechanismen eingeführt werden sollen. Auch das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) verfolgt eine feministische Entwicklungspolitik, die geschlechtergerechte Ansätze in der Klimapolitik und – finanzierung verfolgt. Das BMZ unterstützt im Rahmen des „Globalen Schutzschirms gegen Klimarisiken“ Projekte, die den Auswirkungen von Naturkatastrophen entgegenwirken, welche Mädchen den Zugang zu Bildung verwehren, das Sterberisiko für Menschen mit Behinderungen erhöhen und die Diskriminierung von LGBTQIA+ Personen beim Zugang zu grundlegenden Ressourcen verstärken. Derzeit gibt es jedoch nur wenige Daten zu Geschlechteraspekten in der deutschen Klimafinanzierung – ein Bereich, den eine neue Bundesregierung weiter vorantreiben könnte, denn nur was gemessen wird, kann effektiv umgesetzt werden.

Defizite der aktuellen (feministischen) Klimapolitik

Deutschland hat sich durch das Pariser Abkommen dazu verpflichtet, bis 2025 mindestens sechs Milliarden Euro an Bundeshaushaltsmitteln für die internationale Klimafinanzierung bereitzustellen, um das globale Ziel von 100 Milliarden US-Dollar an Klimafinanzierung zu erreichen. Jedoch sank der Anteil an Haushaltsmitteln von 6,4 Milliarden Euro im Jahr 2022 auf 5,7 Milliarden Euro im Jahr 2023. Der größte Teil der Mittel fließt in Klimaschutzprojekte (56%), während nur 18% für Klimaanpassung vorgesehen sind. Die Mittel für Anpassung sind zuletzt gesunken. Das Ziel, die Anpassungsfinanzierung bis 2025 zu verdoppeln, wird Deutschland also voraussichtlich verfehlen. Besonders davon betroffen sind fragile Staaten und Länder mit geringem Einkommen. Um soziale Ungleichheiten in der Klimakrise zu bekämpfen und die am stärksten betroffenen Gruppen wirksam zu unterstützen, ist eine gerechte Klimafinanzierung unverzichtbar. 

Ein wichtiger Bestandteil für gendergerechte Klimapolitik ist die Partizipation der betroffenen Bevölkerung, Gendergerechtigkeit und die Wahrung von Menschenrechten.  Dies wird jedoch in der aktuellen Praxis häufig vernachlässigt. So zeigte eine qualitative Analyse von Brot für die Welt, der Heinrich-Böll-Stiftung, Oxfam und Germanwatch zwischen 2010 und 2012, dass soziale Aspekte wie Partizipation und Gendergerechtigkeit in den deutschen Klimafinanzierungsprojekten nur unzureichend berücksichtigt wurden. In nur 26% der untersuchten Projekte wurde Gender explizit berücksichtigt. Um die Effektivität der deutschen Klimafinanzierung zu beurteilen, bedarf es allerdings neuere Zahlen. Eine neue Bundesregierung könnte hier ansetzen, indem sie gezielt unabhängige Studien und Analysen fördert. Nur durch eine fundierte und umfassende Untersuchung können die bestehenden Defizite aufgedeckt und Maßnahmen entwickelt werden, um soziale und geschlechtergerechte Aspekte in Klimafinanzierungsprojekten stärker zu integrieren. Es wäre essentiell, dass eine verpflichtende Gender-Analyse für jedes Klimaprojekt durchgeführt wird, deren Ergebnisse öffentlich einsehbar sind. Dies würde nicht nur Transparenz schaffen, sondern auch sicherstellen, dass Gendergerechtigkeit nicht als Randthema behandelt wird.

Auch Umweltorganisationen wie GenderCC – Women for Climate Justice unterstreichen die Notwendigkeit einer geschlechtergerechten Ausgestaltung der internationalen Klimafinanzierungsmechanismen. Trotz bestehender Gender-Policies mangelt es in vielen Projekten an einer wirksamen Umsetzung von Gender Mainstreaming. GenderCC empfiehlt daher, genderbezogene Aktivitäten transparent in Budgets zu verankern, Monitoring-Prozesse mit Genderexpertise zu stärken und Sanktionsmechanismen bei Verstößen einzuführen. Auch nationale Förderprogramme wie die Internationale Klimaschutzinitiative sollten sich an diesen Standards orientieren. Gleichzeitig sei es essentiell, Grassroots-Initiativen gezielt zu stärken, um sicherzustellen, dass vielfältige Perspektiven in die Gestaltung und Umsetzung klimapolitischer Maßnahmen einfließen. Unterdessen wird die Verantwortung Deutschlands auf internationaler Ebene immer deutlicher. Der CEDAW-Ausschuss, zuständig für die Überwachung der UN-Konvention zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (CEDAW), kritisiert Deutschland dafür, dass seine Klima- und Energiepolitik die Rechte von Frauen und vulnerablen Gruppen verletzt. Teilweise stehen Deutschlands wirtschaftliche Interessen im Vordergrund, wie die zweieinhalbfache Steigerung der Kohleimporte aus Lateinamerika zeigt. Diese Entwicklung führt nicht nur zum Verlust von Ökosystemen, sondern auch zur Gefährdung von Umweltaktivist*innen, die in diesem Kontext überwiegend Frauen sind. Denn diese sind aufgrund der Kritik an der deutschen Wirtschaftspolitik in ihren Heimatländern Bedrohungen und Gewalt von Anhänger*innen des Projekts ausgesetzt.

Auf europäischer Ebene zeigen der EU Green Deal und die Gleichstellungsstrategie der EU, dass Umweltschutz und Geschlechtergerechtigkeit hohe Priorität haben. Dennoch bleibt die Verbindung zwischen beiden Bereichen oft unberücksichtigt. Obwohl der Lissabonner Vertrag die EU verpflichtet, Gender-Aspekte in allen Politikbereichen zu berücksichtigen, fehlen in der Nachhaltigkeitspolitik eine umfassende Genderanalyse und konkrete Lösungen. Der EU Green Deal und dessen Initiativen wie der Just Transition Mechanism richten sich vor allem an männlich dominierte Sektoren wie die Kohleindustrie, ohne die Bedürfnisse von Frauen und anderen marginalisierten Gruppen ausreichend zu berücksichtigen.

Die gegenwärtige Klimapolitik, sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene, bleibt insgesamt zu fragmentiert und unzureichend, um die komplexen Bedürfnisse von Frauen und marginalisierten Gruppen adäquat in Betracht zu ziehen. Es ist klar, dass ohne eine zielgerichtete, geschlechtergerechte Ausgestaltung der Klimafinanzierung und -politik die Chancen auf eine inklusive und gerechte Bewältigung der Klimakrise gefährdet sind.

Empfehlungen an die neue Bundesregierung

Die Auswirkungen des Klimawandels und seine Folgen werden sich in der kommenden Legislaturperiode verschärfen – die Legislaturperiode 2025-2029 ist entscheidend für die Bekämpfung des Klimawandels. Das Pariser Klimaabkommen setzt das Ziel, die globale Erwärmung auf deutlich unter 2 °C über dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen und gleichzeitig Anstrengungen zu unternehmen, die Erwärmung auf maximal 1,5 °C zu beschränken. Um das 1,5-°C-Ziel einzuhalten, müssen die globalen Treibhausgasemissionen spätestens vor 2025 ihren Höhepunkt erreichen und bis 2030 um 43% im Vergleich zu 2019 sinken. Für diesen Wandel braucht es enorme Summen: Die OECD gibt an, dass allein in den Ländern des sogenannten Globalen Südens, die am stärksten betroffen sind, jährlich 2,4 Billionen US-Dollar benötigt werden. Als Industrieland, das lange Zeit von der Ausbeutung der Umwelt profitiert hat, steht Deutschland hier in der Verantwortung. Eine von Klima-Allianz Deutschland, Germanwatch, WWF Deutschland und Global Citizen in Auftrag gegebene Studie hat ergeben, dass die Bundesregierung auf zusätzliche Mittel in Höhe von bis zu 96 Milliarden Euro mobilisieren könnte: Dies würde etwa bedeuten, weitere 6 Milliarden Euro aus dem Bundeshaushalt 2025 für die Erfüllung internationaler Verpflichtungen zu verwenden, die Schuldenbremse zu reformieren und einen Sonderfonds einzurichten sowie Klimafinanzierung aus Eigenmitteln der KfW Bankengruppe bereitzustellen. Dieses Geld muss geschlechtergerecht investiert werden. Dabei ist es unerlässlich, geschlechterspezifische Daten zu erheben und eine geschlechtsspezifische Budgetierung sowie präzise Leistungsindikatoren zu entwickeln, um die Auswirkungen der Klimafinanzierung auf Gleichstellungsziele zu messen und an sie anzupassen. Eine grundlegende Herausforderung besteht laut der AG GENAU*T darin, nicht nur Gender zu berücksichtigen, sondern auch intersektionale Ungleichheiten zu verringern und zu bekämpfen. Dieses Thema wird in den Leitlinien des AA zur feministischen Außenpolitik nicht ausreichend behandelt.

Deutschland kann in der Klimafinanzierung auf bereits bestehende, geschlechtergerechte Fonds zugreifen. Beispielsweise sollte Deutschland Klimafonds wie den Green Climate Fund (GCF) unterstützen, da dieser frühzeitig einen Gender-Mainstreaming-Ansatz sowie seit 2015 eine Gender-Strategie und einen Aktionsplan etabliert hat – noch vor der Vergabe erster Projektmittel. Neun von zehn Projekten fördern Geschlechtergleichstellung im Klimaschutz. Deutschland hat seinen Beitrag bei der zweiten Wiederauffüllung weiter erhöht und für die Jahre 2024 bis 2027 zwei Milliarden Euro zugesagt. Deutschland ist damit einer der wichtigsten Geber des GCF. Die neue Bundesregierung sollte weitere finanzielle Zusagen machen, um Modellprojekte wie den GCF zu fördern und so geschlechtergerechten Klimaschutz voranzubringen.

Daraus ergeben sich folgende Empfehlungen für eine neue Bundesregierung:

  • Eine feministische Klimapolitik muss im Wahljahr 2025 Priorität erhalten. Klimafinanzierung spielt eine entscheidende Rolle, um die Klimaziele bis 2030 zu erreichen, darunter die angestrebte Reduktion der Treibhausgasemissionen um 65%. Aktuelle Studien belegen, dass zusätzliche Finanzierungsmöglichkeiten in Deutschland verfügbar sind – diese gilt es jedoch gezielt und geschlechtergerecht zu investieren. Ein solcher Ansatz stellt sicher, dass die Mittel nicht nur effektiv genutzt, sondern auch die sozialen und ökologischen Dimensionen der Klimakrise berücksichtigt werden.
  • Für einen erfolgreichen Klimaschutz sollte eine geschlechtergerechte Klimafinanzierung als fester Bestandteil in der Außen- und Innenpolitik einer neuen Bundesregierung etabliert werden. Dabei sollte sie intersektionale Ansätze stärken, die Expertise (mehrfach) marginalisierter Gruppen einbinden und feministische Wissensproduktion, insbesondere aus den vom Klimawandel stark betroffenen Ländern im sogenannten Globalen Süden, gezielt fördern. Damit mehr Perspektiven gehört und berücksichtigt werden, ist eine Förderung von Diversität in Entscheidungsprozessen unerlässlich. Um dies zu ermöglichen, sollte die Bundesregierung regelmäßig den Dialog mit der Zivilgesellschaft suchen und diese in die Beratung und Gestaltung von Klimamaßnahmen und -finanzierung einbeziehen. Nur so kann Klimaschutz eine nachhaltige Zukunft für Deutschland und die Welt gewährleisten.
  • Deutschland muss seiner Verantwortung im Klimaschutz nachkommen und eine Vorreiterrolle in der globalen Klimafinanzierung übernehmen. Dies erfordert eine konsequente Förderung von Projekten, die besonders marginalisierte Gruppen einbeziehen. Auch im Rahmen des European Green Deal und in seiner Vorreiterrolle in der Europäischen Union sollte Deutschland sich dafür einsetzen, dass Genderperspektiven in Klimaschutzmaßnahmen integriert werden. In Zeiten geopolitischer Spannungen darf die Klimafinanzierung und der Klimaschutz nicht in den Hintergrund geraten. Der Klimawandel betrifft alle Länder, wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß. Eine effektiver Klimaschutz, der Geschlechterperspektiven und Diskriminierungsformen anerkennt, benötigt Partner*innenschaften. Die EU bietet sich als Bündnis an, da die Länder bereits durch klimapolitische Maßnahmen wie den EU Green Deal miteinander verbunden sind. Nur gemeinsam können patriarchale Strukturen überwunden und das volle Potential aller Menschen im Kampf gegen den Klimawandel entfaltet werden.
  • Um einen wirksamen Klimaschutz zu gewährleisten, muss geschlechtergerechte Finanzierung als integraler Bestandteil der Klimapolitik betrachtet werden. Dies erfordert eine kohärente Zusammenarbeit zwischen den Ministerien, wobei insbesondere folgende Ressorts ihre Maßnahmen und Finanzierungsstrategien eng abstimmen sollten:
    • Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK),
    • Bundesministerium der Finanzen (BMF),
    • Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI),
    • Auswärtiges Amt (AA),
    • Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL),
    • Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV),
    • und das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ).

Der Klimawandel stellt eine der größten Herausforderungen des kommenden Jahrzehnts dar. Seine Bewältigung ist von so hoher Bedeutung, dass sämtliche Möglichkeiten des Klimaschutzes ausgeschöpft werden müssen. Dies erfordert die Mitwirkung aller Menschen weltweit. Insbesondere Frauen und marginalisierte Gruppen könnten eine entscheidende Rolle im Kampf gegen den Klimawandel spielen. Die neue deutsche Bundesregierung sollte sich dieser Tatsache stets bewusst sein und diese als Akteur*innen anerkennen und dabei finanziell unterstützen.

Hannah Dietz (sie/ihr) ist Masterstudentin im gemeinsamen Masterstudiengang Internationale Beziehungen der Freien Universität Berlin, der Humboldt-Universität zu Berlin und der Universität Potsdam. Sie erwarb ihren Bachelor-Abschluss in Politikwissenschaft und Germanistik an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main. Sie ist Co-Leiterin des Klima- und Energieprogramms von Polis180.

Lara Franken (sie/ihr) engagiert sich im Vorstand von Polis180; zuvor war sie zwei Jahre lang als Co-Programmleiterin im Bereich „Gender & Internationale Politik“ tätig. Vor Kurzem schloss sie ihren Master in Internationalen Beziehungen in Berlin und Potsdam ab und ist aktuell in Genf, wo sie im Rahmen des Carlo-Schmid-Programms bei einem politischen Netzwerk arbeitet.

Bildquelle via Unsplash

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