Südostasien ist eine Region im Indo-Pazifik, die zunehmend an Relevanz gewinnt. Vom Multilateralismus über Sicherheit und Handel zu Klimawandel handelt es sich um eine dynamische Region. Dieser Blogpost legt einige der wichtigsten Punkte dar, bei denen Deutschland, Europa und Südostasien konstruktiv zusammenarbeiten könnten – und vor allem warum wir es mehr sollten.
Ein Beitrag von Tadeus Viktor Liebhold
Die 2020 vorgestellten Leitlinien zum Indo-Pazifik der Bundesregierung, gefolgt von der China-Strategie, sind Indikatoren für die Erkenntnis, dass Asien aus politischer Sicht Deutschlands an Relevanz gewinnt. Außerdem legen sie viele wichtige Ziele für diese Region dar: Multilateralismus, Sicherheit, Klimaschutz, Menschenrechte, freier Handel und die Verringerung von politischen und wirtschaftlichen Abhängigkeiten (De-Risking) von China.
Beim Indo-Pazifik handelt es sich um eine Region, die rapides Wirtschafts-und Bevölkerungswachstum, neue Supermächte und neue Konfliktzonen mit sich bringt. In einer sicher verändernden Weltordnung, in der neue Akteure an Einfluss gewinnen, gibt es eine asiatische Region, die teilweise nicht genug in den öffentlich-politischen Diskurs integriert ist – Südostasien.
Die 11 Länder Südostasiens haben eine Bevölkerung von rund 700 Millionen Menschen – Tendenz steigend. Die Region besteht aus Myanmar, Thailand, Laos, Kambodscha, Vietnam, Malaysia, Singapur, Indonesien, Brunei, Timor-Leste und den Philippinen. Bis auf Timor-Leste haben sich seit den 60er Jahren und nach dem Ende des Kalten Krieges alle genannten Länder in der ‘Association of Southeast Asian Nations‘ (ASEAN) zusammengeschlossen. Auch wenn die Effizienz ASEANs auf Grund der Freiwilligkeit und einem Mangel an Formalität häufig nicht gegeben ist, haben die südostasiatischen Länder es doch geschafft, nach der EU die zweiterfolgreichste regionale Organisation der Welt zu erschaffen. Durch Kooperation mit einer integrierten Organisation oder mit einzelnen Staaten bietet die Region viele Möglichkeiten, die Ziele der Indo-Pazifik Leitlinien zu verfolgen.
Multilateralismus, Sicherheit, wirtschaftliche Kooperation & Klimaschutz
Der Zusammenschluss in der ASEAN und das Interesse für internationales Recht, wie im Südchinesischen Meer, durchzusetzen, sind starke Indikatoren für ein Bekenntnis zum Multilateralismus und der liberalen Rechtsordnung.
Dieser Multilateralismus ist hinsichtlich des hohen Konfliktpotenzials in der Region von besonderer Bedeutung: Vom Bürgerkrieg in Myanmar über Spannungen im Südchinesischen Meer bis hin zu US. Militärbasen in den Philippinen, die eine strategische Nähe zu Taiwan besitzen. Für eine sich verändernde globale Sicherheitsstruktur gewinnt die Region immer mehr an Bedeutung und sollte auch in Deutschland und Europa ernster genommen werden.
Weiterhin hat ein kürzlich veröffentlichter Bericht der US-amerikanischen Unternehmensberatung Bain festgestellt, dass die südostasiatischen Kernwirtschaften – Thailand, Vietnam, Singapur, Malaysia, Indonesien & die Philippinen, bis 2034 ein jährliches BIP-Wachstum von 5.1 % haben werden. Damit wird die Wirtschaft dieser Staaten voraussichtlich schneller wachsen als China, welches im selben Zeitraum um rund 3.5-4.5% ansteigen wird. Außerdem beheimatet die Region global wichtige Handelsrouten: das Südchinesische Meer und die Straße von Malakka.
Wenn man sich wieder Aspekte der Sicherheitsstruktur anschaut, dann hat Südostasien auch viel Potenzial für das häufig verlangte ‘De-Risking‘ von China, um Konsequenzen aus der Abhängigkeit von Russland zu ziehen. US-amerikanische Unternehmen sind schon engagiert dabei, Lieferketten aus China in südostasiatische Nachbarländer, wie beispielsweise Vietnam, zu verlegen.
Zu guter Letzt befinden sich einige der vom Klimawandel am stärksten betroffenen Länder der Welt in Südostasien. Demnach werden Fragen von ‘Human Security‘, Migration und anderen verbundenen Problemen – Konflikte, Menschenrechte & Wirtschaft – in der Region an besonderer Bedeutung gewinnen.
Raum für Deutschland und Europa
Trotz all dieser Punkte scheint es häufig so, als ob den beiden Supermächten China und den USA die Federführung in der Gestaltung internationaler Kooperation in der Region überlassen wird – ein Trend, den ein ‘schwächelndes’ Europa und stagnierendes Deutschland versuchen sollten zu vermeiden.
Die Südostasien-Woche der Bundesregierung, verschiedene Besuche in der Region und das Entsenden der Fregatte Baden-Württemberg sind gute erste Schritte, um Partnern in der Region mehr Bedeutung beizumessen. Allerdings sollten sich Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft mehr Expertise zum politischen und wirtschaftlichen Verständnis dieser komplexen Länder aneignen und Möglichkeiten der Kooperation suchen.
Deutschland hat im Vergleich zu bspw. Frankreich und Großbritannien keine koloniale Geschichte in der Region, wodurch man als Kooperationspartner wohlwollender betrachtet wird. Diese Ausgangssituation gepaart mit den Zielen der Indo-Pazifik Leitlinien und der zunehmenden Relevanz der Region sollten uns dazu bewegen, die 11 Länder als mögliche Partner zur Verfolgung unserer Ziele in Asien und darüber hinaus ernster zu nehmen – sonst wird es jemand anderes tun.
Tadeus Viktor Liebhold ist Bachelor Student der Politikwissenschaften an der Sciences Po Paris mit einem Schwerpunkt auf den Indo-Pazifik und Europa. Er ist momentan Austauschstudent an der Thammsasat University in Bangkok und zeitgleich Co-Programmleitung von connectingAsia.
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