Am 26.08. diskutierten Ocean Hale Meißner, Wiebke Eltze und Carlotta v. Westerholt unter der Moderation von Lara Franken, Co-Leiterin des Programms “Gender und Internationale Politik”, über die Herausforderungen und Strategien im Umgang mit Rechtsextremismus, Antifeminismus und Anti-Gender-Bewegungen in Deutschland und Europa. Die Veranstaltung war eine Kooperation der Programmbereiche “(Un-)Making Democracy” und “Gender & Internationale Politik”.
Dabei brachten die Speaker*innen vielfältige Perspektiven ein:
Ocean Hale Meißner (keine Pronomen) lebt in der sächsischen Kleinstadt Döbeln und ist in 9 Vereinen & Bündnissen aktiv. Mit dem Hauptaugenmerk auf queerem und antifaschistischem Aktivismus organisiert Ocean Hale Demonstrationen, betreibt Bildungs-, Aufklärungs- sowie Jugendarbeit und setzt sich für ein weltoffeneres und diskriminierungsfreies Zusammenleben in ländlichen Regionen ein.
Wiebke Eltze, ist Diplom-Politologin mit dem Schwerpunkt politische Erwachsenenbildung; Betzavta-Trainerin; Trainerin für Demokratie und Pluralität; 2009-16 Mitarbeiterin des Netzwerks für Demokratie Licht-Blicke (Berlin-Lichtenberg), seit 2013 als Projektleitung; freie Referentin im Bereich Argumentations- und Haltungstrainings im Umgang mit rechten, rassistischen und antifeministischen Positionen, Rassismus- und Rechtsextremismusprävention, Demokratieförderung, Moderatorin und Beraterin; seit 08/2021 Bildungsreferentin der Amadeu Antonio Stiftung.
Carlotta v. Westerholt ist wissenschaftliche Mitarbeiterin bei der Beobachtungsstelle für gesellschaftspolitische Entwicklung in Europa. Sie hat einen Master in Medien und Politischer Kommunikation an der FU Berlin mit Auslandsaufenthalt in Israel erworben. Ihre Themenschwerpunkte bei der Beobachtungsstelle sind Gleichstellungspolitiken für LGBTIQ*-Personen, Europäische Gesellschaftspolitik sowie Politik für Kinder und Jugendliche.
Ocean Hale Meißner berichtete von den besonderen Herausforderungen, denen queere Menschen in kleineren Städten Sachsens ausgesetzt sind, wo Rechtsextremisten stark aktiv sind. Diese Bedrohung hat dazu geführt, dass viele queere Menschen in Großstädte ziehen. Durch Aktionen wie den Christopher Street Day (CSD) und Bildungsarbeit hat die Sichtbarkeit queerer Menschen zugenommen, was jedoch auch zu verstärktem Hass und Gewalt von Rechtsextremisten geführt hat. Ocean erwähnte Vorfälle wie Steinwürfe und das öffentliche Zeigen von Hakenkreuzen und kritisierte die begrenzten politischen Möglichkeiten in Sachsen, wo die größten Parteien CDU und AfD sind. Außerdem äußerte Ocean Bedenken, ob progressive Parteien wie die Grünen und die SPD bei der sächsischen Landtagswahl über die 5%-Hürde kommen würden, und betonte die Notwendigkeit einer verpflichtenden queeren Bildung in Schulen auf Bundesebene. Ocean hob auch die Schwierigkeiten hervor, die durch mangelnde Fördermittel und fehlenden politischen Rückhalt für antifaschistische Projekte entstehen.
Wiebke Eltze unterstrich die Bedeutung von Daten im Kampf gegen Antifeminismus, da sie helfen, die Strategien und Akteur*innen besser zu verstehen. Antifeministische Netzwerke haben großen Einfluss auf bestimmte Zielgruppen und deren Umfeld, was eine ernsthafte Bedrohung darstellt. Wiebke plädierte dafür, Politiker*innen stärker über diese Bedrohung aufzuklären und betonte die Wichtigkeit von solidarischen Netzwerken und klaren politischen Signalen zur Unterstützung von zivilgesellschaftlichen Organisationen. Sie führte ein Beispiel aus ihrer eigenen Arbeit an, bei dem ihre Organisation durch fundierte Recherchen mehr Unterstützung von staatlicher Seite erhielt.
Carlotta v. Westerholt sprach über die transnationale Natur der Anti-Gender-Bewegungen und deren unterschiedliche Auswirkungen in verschiedenen Ländern. Während in Großbritannien TERFs (trans exclusionary radical feminists) eine große Rolle spielen, ist dieses Thema in der Türkei weniger präsent. In Deutschland hat Geschlechterfeindlichkeit in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen. Carlotta nannte positive Beispiele zivilgesellschaftlicher Kampagnen, wie die Pro-Abtreibungskampagne, Together for Yes, in Irland, und wies auf die Unterstützung hin, die russische Diaspora-Organisationen queeren Menschen bieten. Sie betonte die Bedeutung von faktenbasierten Argumenten und intersektionalem Denken in der Auseinandersetzung mit Anti-Gender-Bewegungen und hob hervor, dass feministische Organisationen in Polen maßgeblich am Regierungswechsel beteiligt waren, jedoch konnten bislang restriktive Gesetze, beispielsweise zu Schwangerschaftsabbrüchen, nicht gelockert werden. Auf EU-Ebene erwähnte sie Gender Mainstreaming und Gleichstellungsstrategien als Schutzmaßnahmen.
Zum Schluss unterstrichen alle Sprecher*innen die Bedeutung von Netzwerken, Bildung und Sichtbarkeit, um gegen die Angriffe von antifeministischen und Anti-Gender-Bewegungen vorzugehen. Ocean betonte erneut die Zunahme von Hass gegen marginalisierte Gruppen, aber auch die steigende Unterstützung auf Gegendemonstrationen und die Wichtigkeit von Humor als Mittel im Aktivismus.
In der Fragerunde wurden Beispiele für positive Erlebnisse im Umgang mit Angriffen von antifeministischen und Anti-Gender-Bewegungen diskutiert. Alle Sprecher*innen betonten die Bedeutung von kontinuierlicher Mobilisierung und Unterstützung, insbesondere in Regionen, die als „Hinterland“ gelten. Wiebke verwies auf eine Kollegin, Veronika Kracher, die für ihre Arbeit zu Anti-Gender-Bewegungen auf TikTok unterstützt wird, was sie als Zeichen der Hoffnung sieht.
von Lara Brett und Lara Franken
Veranstaltungsorganisation von Sophia Dimer, Luca Lorenz, Lara Franken und Gesche Andert.
Wir bedanken uns bei der Berliner Landeszentrale für politische Bildung.
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