Stereotype Männlichkeitsbilder und traditionelle Geschlechterrollen verdecken oft die Tatsache, dass auch Frauen und nicht-binäre Personen eine Schlüsselrolle im politischen Rechtsterrorismus spielen. Schätzungsweise 10 Prozent aller Gewalttaten im rechten Spektrum in Deutschland werden von Frauen begangen. Spätestens seit der Verurteilung von Beate Zschäpe sollte klar sein, dass nicht nur männlich gelesene Menschen gewaltbereit sind.
Dieses Phänomen schauen wir uns mit zwei Expertinnen in unserer Veranstaltung „Die Rolle von Gender in rechtsextremen Bewegungen“ genauer an: PD Dr. habil. Eva Herschinger, Senior Researcher am Center for Intelligence and Security Studies an der Universität der Bundeswehr München, und Elisabeth Hell, Zuständige für den Bereich Rechtsextremismus beim Violence Prevention Network gGmbh.
Zu Beginn der Veranstaltung erwähnte Eva Herschinger, dass die Teilhabe von Frauen kein neues Phänomen im Rechtsextremismus ist, aber sich nur selektiv einzelne Taten und weiblich gelesene Personen angeschaut werden. Den Grund hierfür sieht sie in allgegenwärtigen Rollenattributen und Machtverhältnissen, die Frauen und Männern binäre Rollen zuschreiben. Frauen sind dabei von einer doppelten Unsichtbarkeit in rechtsextremen Bewegungen betroffen. Das liegt daran, dass sie oft im Hintergrund agieren, sowie an der Tatsache, dass sie häufig als unpolitische, für die Erziehung zuständige Mütter angesehen werden. Wichtig wäre also die vorherrschenden Geschlechterlinien hinter uns zu lassen und so anzuerkennen, dass Frauen genauso politisiert sein können wie Männer.
Elisabeth Hell, deren Arbeitsschwerpunkte im Bereich der Ausstiegs- und Distanzierungsarbeit mit radikalisierten Menschen liegen, betonte ebenfalls, dass Frauen – besonders in Führungspositionen – in rechtsextremen Gruppierungen oft dafür sorgen, dass Ideologien friedfertiger scheinen, als sie es eigentlich sind. Ebenfalls lieferte sie während der Veranstaltung Gründe, die erklären könnten, weshalb sich Frauen, trotz antifeministischer Ideologien, rechtsextremen Bewegungen anschließen. Einer der Gründe könnte beispielsweise die Diskriminierung sein, die diese Frauen selbst erfahren. Sie widmen sich dann als Reaktion der Vertiefung anderer sozialer Ungleichheiten, um ihren eigenen Selbstwert aufzuwerten.
Zuletzt sprachen die Speakerinnen noch über die Vernetzung der internationalen Rechten. Außerdem hoben sie hervor, dass im Mainstream besprochene emotionale Thematiken – wie Abtreibung – oft von Rechten aufgegriffen werden, um für eine Mobilisierung oder gar Rekrutierung zu sorgen. Beide Referentinnen waren sich außerdem einig, dass sich innerhalb der Extremismusprävention bereits etwas verändert hat und Gender als Analysekategorie in der Präventionslandschaft und Extremismusforschung nun berücksichtigt wird. Dennoch fehlt die ausgereifte feministische Perspektive in der Extremismusprävention noch, obwohl sie zwingend notwendig ist.
28. November 2022
Text von Lara Franken