Unsere erste Protagonistin ist Fëllanza Podrimja, die als Kind aus dem Kosovo nach Deutschland floh. Seit einigen Monaten erst hat sie die deutsche Staatsangehörigkeit, ihren kosovarischen Pass musste sie dafür abgeben. Mit uns spricht sie über ihre Geschichte und über die Zukunft, die sie sich für ihr Heimatland wünscht.
Ein Interview mit Frauke Seebass
Unser Filmteam trifft Fëllanza im Qebaptore Prizreni, einem kosovarischen Restaurant in Berlin-Neukölln. Es ist Sonntagmittag, alle Tische sind besetzt, Männergruppen und Familien treffen sich, sprechen eine Mischung aus Albanisch und Deutsch.
Die junge Frau hat anstrengende Wochen hinter sich, heute sprüht sie vor Zuversicht: Aus den vorgezogenen Wahlen im Kosovo ist die langjährige Oppositionspartei und frühere Protestbewegung Lëvizja Vetëvendosje! als stärkste Kraft hervorgegangen und führt jetzt vielversprechende Koalitionsverhandlungen.
Fëllanza hat die Mobilisierung der kosovarischen Wählerschaft in Berlin mitorganisiert und hofft auf entscheidende Veränderungen in dem Land, das seit der Unabhängigkeit im Jahr 2008 um internationale Anerkennung kämpft.
Fëllanza wurde in Libyen geboren, Muammar al-Gaddafi unterhielt ausgezeichnete Beziehungen zu Josip Broz Titos Jugoslawien, die Eltern sollten bei der Rückkehr reibungslos ihre Arbeitsplätze wieder antreten können. Doch Tito starb, ohne seine Nachfolge zu sichern. Slobodan Milošević ergriff die Macht und seine Regierung verfolgte und diskriminierte die albanische Mehrheit im Kosovo systematisch.
Die Familie floh schließlich vor Gewalt und staatlicher Unterdrückung nach Deutschland, hier leben sie bis heute. Nach etlichen Jahren bürokratischer Hindernisse und Ungewissheiten hat Fëllanza seit einigen Monaten einen deutschen Pass, ihre kosovarische Staatsangehörigkeit musste sie für diesen aufgeben. Obwohl sie froh ist, endlich Gewissheit zu haben, schmerzt sie dieser Schritt.
„Diaspora bedeutet für mich Heimat in der Heimat“
Seit ihrer Jugend mischt sie sich in die Debatten ein, sei es im Kosovo oder für albanische Belange in Deutschland und der EU. Damit versteht sie sich als aktiven Teil der Diaspora, die allein in Deutschland mehrere Hunderttausend Menschen umfasst.
In den Herkunftsländern wird das nicht immer positiv gesehen – wer nicht im Land lebt, soll sich raushalten, finden einige. Auch auf Regierungsebene werden Rechte systematisch missachtet und bleiben Potentiale ungenutzt, wovon nicht zuletzt die alten Eliten profitieren, die das Land seit der Unabhängigkeit regieren.
Andere, wie die in Pristina ansässige NGO Germin versuchen, die Rolle im Ausland lebender AlbanerInnen zu stärken. Ihre Zielgruppe sind panalbanische Gruppen, die ihre Expertise in den Herkunftsländern einsetzen können – in Albanien, dem Kosovo und Nordmazedonien, wo die größten Gruppen ethnischer AlbanerInnen beheimatet sind.
Ihre Sprache unterscheidet sich stark von den südslawischen Idiomen auf dem westlichen Balkan und schweißt sie auch in der Diaspora zusammen. Wie Fëllanza ist es besonders vielen jungen Menschen wichtig, progressive Entwicklungen in der Region zu unterstützen. „Wir planen schon einen ‚reverse brain-drain‘“, sagt sie lachend und ist sich sicher: „Wenn wir das Gefühl haben, dass sich wirklich etwas bewegt, werden viele ins Kosovo zurückkehren.“
Auch kann sie sich gut vorstellen, ihr Engagement auf Regierungsebene fortzusetzen, wenn die Vetëvendosje! die Geschäfte 2020 tatsächlich übernimmt. Ihre Prioritäten: Rechtsstaatliche Strukturen stärken und mit neuem Selbstbewusstsein die oft problematischen internationale Beziehungen neu verhandeln – auch mit der EU.
In unserer neuen Serie DIASPORA! stellen wir euch junge Menschen vor, die sich für ihre Herkunftsländer engagieren und sich politisch einmischen! Am 9. Dezember feierte die erste Folge in der Landeszentrale im Amerika-Haus Premiere.
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