Polisblog
5. November 2019

Mehr Umweltschutz durch das EU-MERCOSUR Assoziierungsabkommen? 

Während einige EU-Mitgliedstaaten als Reaktion auf die Waldbrände in Brasilien das EU-Mercosur-Assoziierungsabkommen infrage stellen, sieht die deutsche Regierung in dem Abkommen ein konkretes Druckmittel. Doch welche Einflussmöglichkeiten bietet das Abkommen der EU im Hinblick auf weitere Brandrodungen im Amazonasgebiet und die Einhaltung des Pariser Klimaabkommens tatsächlich? 

Ein Beitrag von Jule Könneke

 

Das EU-Abkommen mit den Mercosur-Staaten

Fast 20 Jahre lang hat die EU mit den vier südamerikanischen Staaten Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay verhandelt. Am 28. Juni 2019 wurde eine politische Einigung über den Handelsteil des EU-Mercosur-Abkommen dann endlich erzielt. Mit Inkrafttreten des Abkommens würde die größte Freihandelszone der Welt entstehen. 

Durch den schrittweisen Abbau von Zöllen und anderen Handelshemmnissen würden europäische Unternehmen jährlich über 4 Mrd. € Kosten einsparen. Derzeit wird der Vertragstext rechtlich geprüft und frühestens im Herbst 2020 dem Rat und dem Parlament vorgelegt. Während der Handelsteil dann bereits in Kraft treten kann, ist für die Ratifizierung des gesamten Abkommens die Ratifizierung aller nationalen Parlamente nötig. 

Weder das, noch die notwendige Einstimmigkeit des Rates scheint momentan jedoch wahrscheinlich, denn der Widerstand gegen das Abkommen wächst. So hat das österreichische Parlament Ende September entschieden, auf EU-Ebene gegen das Abkommen zu stimmen. Auch Frankreich, Irland und Luxemburg drohen, in Reaktion auf die Politik von Brasiliens Regierungschef Bolsonaro und seinen Umgang mit den verheerenden Waldbränden, das Abkommen nicht zu unterzeichnen. Der Vorwurf ist, Bolsonaro bekämpfe die Brände nur zögerlich und halte Verpflichtungen zum Umweltschutz nicht ein.

 

Cars for cows

Kritik am Mercosur-Abkommen gibt es schon länger. Insbesondere drohe es Umwelt- und Verbraucherschützer*innen zufolge, die Asymmetrie der Handelsbeziehungen zu verstärken. Denn während die Mercosur-Staaten primär Rohstoffe wie Soja, Kaffee, Tabak, Fleisch und Mineralien exportieren, liefert die EU Autos, Autoteile, Maschinen, Chemikalien, Pharmazeutika und andere gefertigte Produkte. 

Von dem Abkommen profitieren in der EU folglich insbesondere Auto- und Maschinenhersteller*innen sowie die chemische Industrie. Demgegenüber haben in dem südamerikanischen Wirtschaftsverbund Mercosur vordergründig Fleisch-, Agrar-, Zucker- und Ethanolproduzent*innen einen hohen Nutzen. Verlierer*innen sind neben den europäischen Landwirt*innen, die schärfere Konkurrenz befürchten, vor allem südamerikanische KMUs und die verarbeitende Industrie der Mercosur-Staaten. 

Das Abkommen schwäche die Industriestrukturen im Mercosur-Raum, so die Befürchtung. Darüber hinaus verstärke das Abkommen die weitere Abhängigkeit der Mercosur-Staaten und vertiefe die negative Handelsbilanz.

 

Zahnloses Nachhaltigkeitskapitel 

Unter anderem mit der Begründung, das Abkommen enthalte „ein ambitioniertes Nachhaltigkeitskapitel mit verbindlichen Regelungen zum Klimaschutz“, hält die deutsche Regierung bislang an dem Abkommen fest. Besagtes Kapitel zur nachhaltigen Entwicklung legt zwar Standards für Umweltschutz und Verpflichtungen im Bereich der nachhaltigen Entwicklung fest, im Gegensatz zu den anderen Kapiteln des Abkommens sieht es jedoch keinerlei Sanktionsmechanismen vor. 

So enthält das Nachhaltigkeitskapitel Bekenntnisse zur Umsetzung des Pariser Klimaschutzübereinkommens, zu nachhaltiger Forstwirtschaft und zu verantwortungsvollem unternehmerischen Handeln sowie Verpflichtungen zum Schutz der Arbeitnehmer*innen- und Menschenrechte. 

Einen Mechanismus, der sicherstellen würde, dass den Vereinbarungen zu Umweltschutz und nachhaltiger Entwicklung Taten folgen, gibt es nicht. Währende Verstöße gegen andere Vereinbarungen des Abkommens unter dem Staat-Staat-Streitschlichtungsmechanismus behandelt werden können und damit einer Gerichtsbarkeit unterliegen, sieht das Nachhaltigkeitskapitel lediglich das Einsetzen eines Expert*innenkomittees vor. Dieses spricht Empfehlungen aus, die aber unverbindlich sind. 

Die festgeschriebenen sozial-ökologischen Standards sind dementsprechend weder mit konkreten Maßnahmen unterlegt, noch durchsetzbar. Folglich bleiben die Einwirkungsmöglichkeiten auf die Politik des brasilianischen Präsidenten und seinen Umgang mit den Waldbränden durch das Abkommen gering. Vielmehr birgt das Freihandelsabkommen in seiner aktuellen Form die Gefahr, dass die neuen Absatzmärkte für Soja- und Fleischexporte aus Brasilien den Bedarf an landwirtschaftlicher Nutzfläche vergrößern und die Abholzung des Regenwaldes weiter forcieren.

 

Sozial-ökologische Auflagen mit Wirkung

Um zu verhindern, dass der Druck auf den Regenwald weiter zunimmt, hilft nur eins: Das Handelsabkommen muss von der Einhaltung sozial-ökologischer Standards abhängig gemacht werden. Diese müssen verbindlich, transparent, messbar und in Form von einklagbaren Regeln hart abgesichert werden. 

Um das zu gewährleisten, muss neben dem dialogorientierten Durchsetzungsverfahren auch der Staat-Staat-Streitschlichtungsmechanismus im Nachhaltigkeitskapitel des Abkommens verankert werden. Für den Fall, dass eine der Vertragsparteien gegen die vereinbarten sozial-ökologischen Verpflichtungen verstößt, stellen finanzielle Sanktionen ein mögliches Instrument dar. Die verhängten Geldstrafen könnten in einen Fonds fließen, aus dem wiederum Projekte finanziert werden, die zu einer Verbesserung der sozial-ökologischen Standards im beklagten Land beitragen.

Nicht zuletzt muss die Beteiligung der Zivilgesellschaft an der Formulierung und Umsetzung von Handelsabkommen institutionalisiert werden. Monitoring- und Beschwerdemechanismen für zivilgesellschaftliche Gruppen müssen ausgeweitet und gestärkt werden, um die Einflussmöglichkeiten zivilgesellschaftlicher Gremien zu erhöhen. Auf diese Weise könnte sichergestellt werden, dass Standards unabhängig vom politischen Willen der beteiligten Vertragsparteien um- und durchgesetzt werden. 

Auch wenn das Abkommen in Zeiten internationaler Handelskonflikte ein wichtiges Signal für freien, regelbasierten Handel und internationale Zusammenarbeit ist, darf es ohne entsprechende Kontroll- und Sanktionsmöglichkeiten bei der Verletzung von Umwelt- und Menschenrechtsstandards nicht ratifiziert werden. Denn nur wenn es effektive Durchsetzungsmechanismen gibt, kann das Nachhaltigkeitskapitel als Hebel dienen, um die Vertragspartner an das Pariser Klimaschutzübereinkommen, den Schutz der Menschenrechte und nachhaltige Entwicklung zu binden. 

 

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Bildquelle via unsplash

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