Die Bundesregierung veröffentlichte am 18. September ihre Blockchain-Strategie, die auf insgesamt 24 Seiten 44 Maßnahmen zur Unterstützung des Blockchain-Standorts Deutschland darlegt. Nach ihren eigenen Worten soll die Strategie eine Weichenstellung hin zu einer ‚Token-Ökonomie‘ darstellen.
Ein Kommentar von Nikolas Klausmann
Die Bundesregierung scheint an die Technik zu glauben. Sie spricht ihr ‚Relevanz‘ zu. Die Technologie sei „eine der meistdiskutierten Innovationen der digitalen Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft“, schreibt sie. Damit wird ihr jedenfalls das Potential zur Wirtschafts- und Gesellschaftstransformation zugesprochen. Dieser Schritt mag manche verblüffen, steht die Technologie nach wie vor, zum Beispiel wegen ihres teils hohen Energieverbrauchs oder der potentiell fehlenden Skalierbarkeit, in der Kritik.
Der Betrieb der bekanntesten Blockchainanwendung „Bitcoin“ soll beispielsweise Schätzungen zufolge im Jahr 2018 genauso viel Strom wie der Staat Argentinien verbraucht haben. Diese Bedenken teilen die Autorinnen und Autoren des Papiers insoweit, als sie richtigerweise den Forschungsbedarf hinsichtlich der klimarelevanten Auswirkungen einer Hochskalierung der Technologie thematisieren.
Trotzdem erkennt die Bundesregierung die gewaltigen Chancen einer Technologie an, die es ermöglicht im dezentralen, anonymen Raum Vertrauen zu erzeugen und reale Lebenssachverhalte abzubilden. Somit wird sie zu einer effektiveren Vernetzung und Interaktion von Menschen und Objekten (Internet der Dinge) beitragen können. Gleichzeitig steht die Technologie für besondere (Daten)Sicherheit. Insbesondere die außergewöhnliche Kombination aus Vernetzung, Dezentralität und Sicherheit scheint der Technologie ihren potentiell disruptiven Charakter zu verleihen.
Technologie – Potential – Finanzsektor
Wertpapiere sollen digitalisierbar werden. „Die Bundesregierung will das deutsche Recht für elektronische Wertpapiere öffnen“. Die aktuell zwingende Vorgabe der Papierform soll nicht mehr uneingeschränkt gelten. Dies macht neue möglicherweise kostengünstigere Geschäftsmodelle im Wertpapierhandel möglich. Die Bundesregierung geht aber nach dem Prinzip der Technologieoffenheit vor. Denn, offensichtlich muss ein entsprechendes Geschäftsmodell nicht auf der Nutzung einer Blockchain erfolgen.
Daneben soll auch das öffentliche Anbieten bestimmter Token, die keine Wertpapiere im Sinne der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente oder Vermögensanlagen darstellen, reguliert werden. Bislang fanden sogenannte ICOs (virtuelle Börsengänge) zur Unternehmensfinanzierung in Deutschland in einem Rechtsrahmen statt, der solche Vorgänge nicht ausreichend abbilden konnte. Das führte zu Rechtsunsicherheiten und finanziellen Risiken für Anlegerinnen und Anleger.
Weiter sollen private Stablecoins, also privat ausgegebene Token, die an den Wert staatlicher Währungen gebunden sind und somit deutlich eingeschränkter von Wertschwankung betroffen sind, keine Alternative zu staatlichen Währungen werden. Stattdessen möchte die Bundesregierung den Rahmen für wertstabile staatliche Zahlungsmittel in einer Blockchain-Umgebung schaffen. Damit erteilt das Papier der Facebook-Währung Libra eine klare Absage.
Anwendungspotentiale im CO2 freien Energieversorgungssystem der Zukunft
Das System ist in Folge der Energiewende und Sektorkopplung mit einer gewaltigen, technischen Herausforderung konfrontiert: der Steuerung einer wachsenden Zahl an unbeständig, dezentral und kleinteilig ein- und ausspeisenden Energiemarktakteuren. Die Blockchain-Technologie könnte hier möglicherweise als Vernetzungsinfrastruktur für die Koordination der Stromflüsse fungieren.
Die Bundesregierung erkennt dieses Potenzial an, indem sie unter anderem Tests von Musterlösungen für eine dezentrale Energiewirtschaft fördert und die notwendigen regulatorischen Räume zur Durchführung entsprechender Test schaffen möchte. Auch sollen Smart Contracts in der Energiewirtschaft in einem Register erfasst werden und damit eine erste Struktur entstehen.
Weichenstellung hin zur Token-Ökonomie?
Das Papier geht auf eine Vielzahl von möglichen Anwendungsfällen der Technik ein; stellt wenige regulative Veränderungen in Aussicht. Letztlich legt die Bundesregierung mit der Strategie eine erste Grundlage dafür, die vielfältigen Potentiale der Technologie zu ergründen. Dies tut sie, ohne Risiken für Verbraucherinnen und Verbraucher oder Investitionen zu schaffen. Vielmehr tritt Berlin sinnvollerweise für die Schaffung von Rechtssicherheit ein.
Insofern kann das Vorgehen der Regierung als recht zurückhaltend und sehr besonnen beschrieben werden. Dass sich Deutschland auf dem Weg in eine sogenannte Token-Ökonomie befindet, wie die Bundesregierung schon im Titel des Papiers lautstark verkündet, lässt sich dagegen mit diesem Papier alleine noch nicht begründen.
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Nikolas arbeitet und promoviert er an der Humboldt Universität zu Berlin zum Verfassungs- und Europarecht, sowie zum Recht der Energiewende. Dort ist er auch für den „Arbeitskreis für Legal Tech“ (https://www.rewi.hu-berlin.