Die bevorstehenden Halbzeitwahlen zum US-amerikanischen Kongress dienen traditionell als Stimmungstest der amtierenden Administration, werden jedoch auch für Deutschland und Europa weitreichende Folgen haben. Denn auf dem Prüfstand stehen neben der innenpolitischen Agenda auch zahlreiche Kurswechsel auf der außenpolitischen Bühne. Ein Verlust von Senat oder Abgeordnetenhaus würde Präsident Trump in Zukunft zu weitreichenden Zugeständnissen zwingen.
Ein Beitrag von Robert Fisher
Die US-amerikanischen Midterm Elections stehen traditionell im Schatten der um einiges medienwirksameren Präsidentschaftswahlen. Dabei entscheidet sich am 6. November nicht weniger als das zukünftige Kräfteverhältnis in Washington: Neben 35 der 100 Senatoren werden alle 435 Mitglieder des Repräsentantenhauses neu gewählt. Die meisten Rennen gelten bereits als entschieden, ein Wechsel der Mehrheit wird jedoch dieses Mal – insbesondere im Repräsentantenhaus – weithin für möglich gehalten. Die Initiative Swing Left stuft 78 bislang von Republikanern vertretene Wahlkreise als swing districts ein. Für eine demokratische Mehrheit im Repräsentantenhaus müssten insgesamt 23 hinzugewonnen werden. Im Senat müssten zwei Sitze hinzugewonnen werden, die Demokraten verteidigen allerdings 26 Sitze und die Republikaner lediglich 9. Dabei gilt zu bedenken, dass Präsidenten in der jüngeren Geschichte der Midterm Elections – mit wenigen Ausnahmen – regelmäßig abgestraft wurden. Ein Mehrheitswechsel in einer der beiden Kammern hätte zur Folge, dass die Trump-Administration in den beiden verbleibenden Amtsjahren ohne Zustimmung einiger Demokraten keine Gesetze verabschieden kann und damit zur Kooperation gezwungen wäre.
Für Deutschland sind, obwohl die Wahl auch hierzulande für gewöhnlich weniger beachtet wird, direkte und indirekte Auswirkungen zu erwarten. Traditionell dienen die Midterm Elections als Evaluation der bisherigen Wahlperiode. Für beide Parteien tragen sie vor dem Hintergrund der bald anlaufenden Kandidatenkür für die nächsten Präsidentschaftswahlen maßgeblich zur Selbstfindung bei. Ein Beweis für die Republikaner, ob Donald Trumps Anti-Establishment-Rhetorik auch im Amt Wirkung zeigt. Den Demokraten fehlt es wiederum nach wie vor an tragfähiger Botschaft und starker Führungspersönlichkeit. Beide Parteien werden mit neuen Erkenntnissen und veränderten internen Kräfteverhältnissen aus der Wahl hinausgehen und bald darauf beginnt erfahrungsgemäß endgültig das Warmlaufen der potentiellen Präsidentschaftskandidaten. Für Deutschland und die Europäische Union gilt es also genau zu beobachten, auf welchen Feldern sich für sie Veränderungen anbahnen.
Außenpolitik: ”America First” auf dem Prüfstand
Vor allem gilt es jene Themenkomplexe zu beachten, deren starke Kontraste zwischen der Trump-Administration und ihrer Vorgängerregierung dazu geführt haben, dass vormals überparteiliche Konflikte nun entlang von Parteilinien geführt werden. Dazu zählt unter anderem der Iran-Deal (Joint Comprehensive Plan of Action). Vor dem Amtsantritt Barack Obamas standen beide Parteien weitgehend geschlossen hinter der Sanktionspolitik gegenüber der iranischen Regierung. Heute befürworten die meisten Republikaner die nun erfolgte Aufkündigung des Abkommens, während die Mehrheit der demokratischen Abgeordneten es weiterhin unterstützt.
Auch das Bekenntnis zum Freihandel war in der Vergangenheit kaum umstritten, denn der zunehmend protektionistische Kurs der Trump-Administration spaltet vor allem die eigentlich traditionell wirtschaftsliberalen Republikaner. Hier wird sich zeigen, insbesondere im Rust Belt, ob der neue Kurs trotz möglicher negativer Auswirkungen tragfähig ist. Dies gilt auch für die wenigen Demokraten, die den neuen Kurs befürworten, darunter etwa Senator Sherrod Brown aus Ohio.
Auf dem Feld der Klimapolitik war die Spaltung zwischen den Parteien ebenfalls lange nicht so groß. Während die Demokraten sich weiterhin sehr deutlich zum Pariser Klimaabkommen bekennen, erkennen große Teile der Republikaner den Zusammenhang zwischen CO2-Ausstoß und Klimawandel nicht einmal an. Scott Pruitt, der neue Leiter der Environmental Protection Agency (EPA), war zuvor als Attorney General einer der Vorkämpfer gegen den Klimaschutz und ist auch im neuen Amt überwiegend durch Deregulierung aufgefallen.
Über diese inhaltlichen Differenzen hinaus stehen entscheidende strategische und strukturelle Weichenstellungen auf dem Prüfstand. Die Trump-Administration zeigt großes Desinteresse – oder Mangel an Verständnis – für multilaterale Kooperationen. Dies lässt sich an der pauschalen Ablehnung multilateraler Freihandelsabkommen, dem abfälligen Umgang mit engsten Partnern im Rahmen des letzten G7-Gipfels oder dem Austritt aus UNESCO und UN-Menschenrechtsrat erkennen.
Innenpolitik: Demokratische Kultur am Scheideweg?
Innenpolitisch geht es schlicht um die Zukunft der politischen Kultur und den Umgang mit demokratischen Institutionen. Der Führungsstil Trumps bricht auf mehreren Ebenen gleichzeitig mit den Konventionen sämtlicher moderner Vorgängerregierungen. Eine besorgniserregende Verrohung der Sprache, unverhohlene Angriffe auf öffentliche Personen sowie eine oftmals völlig ungefilterte Kommunikation über Twitter als neuen Kommunikationskanal sind die Konsequenzen. Seit Seiner Amtseinführung haben Fox News und Breitbart besten Zugang zum Weißen Haus, und befeuern gemeinsam mit Regierungsvertretern die Dekonstruktion von Wahrheiten. Zeitgleich werden die New York Times und CNN als linke Establishment-Medien denunziert. Der Fortbestand demokratischer Normen ist auch auf institutioneller Ebene bedroht, allen voran durch die andauernden Versuche der Delegitimierung des FBI und der Ermittlungen Robert Mueller’s sowie die öffentlichen Gedankenspiele zur Selbstbegnadigung.
Die Midterm Elections sind also nicht nur für beide Parteien sondern letztlich auch für die US-amerikanische Demokratie ein entscheidender Meilenstein für deren fortschreitenden Wandel. In den nächsten Monaten werden wir uns in einer Blogreihe bis zu den Wahlen am 6. November diesen Jahres verschiedenen Aspekten und den möglichen Auswirkungen der Kongresswahlen auf außenpolitischer Ebene widmen. Dabei soll es vor allem um Auswirkungen auf die deutsche Außenpolitik gehen. Thematisch werden wir uns dem Außenhandel, dem Szenario einer Übernahme des Kongresses durch die Demokraten sowie der Klimapolitik widmen. Begleitet wird unsere Blogserie durch eine Instagram-Reihe, in der wir wichtige Personen und Termine kurz erklären.
Die Midterm Elections-Reihe von The America(n)s analysiert, bewertet und kommentiert in den Monaten vor der Wahl in den USA die politische Entwicklungen, die außenpolitische Konsequenzen, insbesondere auf die transatlantischen Beziehungen, haben. Begleitet wird die Blogreihe durch eine Q&A Reihe auf Instagram.
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