Polisblog
4. August 2017

Wie fairer Handel Emissionsverlagerungen verhindern kann

Der internationale Klimaschutz verläuft nun endgültig mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten, was die Gefahr von der Verlagerung von Treibhausgasemissionen mit sich bringt. Damit eine Koalition der Willigen trotzdem den Klimaschutz in der gebotenen Tiefe und Geschwindigkeit betreiben kann, sind Grenzanpassungen von CO2-Abgaben notwendig.

Ein Beitrag von Sebastian Levi

 

Willkommen im Klimaschutz der unterschiedlichen Geschwindigkeiten

Auf dem G20 Gipfel in Hamburg sorgten allein die Themen freier Handel und Klimaschutz für reichlich Gesprächsbedarf. Auch dort, wo Klimawandel und Handel zusammengedacht wurden, war allen Beteiligten klar, dass dringender Reformbedarf besteht. So forderte der Verband der Chemischen Industrie Maßnahmen zur Vermeidung von Emissionsverlagerungen und auch der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Michael Fuchs plädierte dafür, die durch Umweltschutz hervorgerufenen Handelsverzerrungen zu reduzieren. Ebenso sprach sich Bundeskanzlerin Angela Merkel offen für einen regen, grenzüberschreitenden Handel aus, der auch den Klima- und Umweltschutz berücksichtigen soll.

Während auf dem Gipfel selbst der Großteil der Staatengemeinschaft – inklusive China – die Bedeutung des globalen Handels und Klimaschutzes betonte, zogen sich die USA indes weiter von ihren internationalen Verpflichtungen zurück. Wie schon bei Donald Trump’s Ankündigung, aus dem Paris Abkommen auszusteigen, war die Staatengemeinschaft diesmal enttäuscht, dass die amerikanische Administration eine gemeinsame Abschlusserklärung zur globalen Klimapolitik verhinderte.

Die US-amerikanische Absage an eine ambitionierte Klimapolitik ist auch deshalb problematisch, weil die geplante CO2-Reduktion vieler ärmerer Länder teilweise an Vorleistung und finanzielle Unterstützung von Industrieländern geknüpft sind. Wenn nun reiche Länder, die ihre wirtschaftliche Entwicklung seit Jahrzehnten auf den Ausstoß von Treibhausgasen stützen, keine Notwendigkeit mehr sehen, Treibhausgase zu reduzieren, werden die klimapolitischen Ambitionen von Entwicklungsländern auf eine sehr harte Probe gestellt. Denn bereits im Paris Abkommen ist festgelegt, dass entwickelte Länder mit hohen historischen Emissionen stärker und schneller ihre Treibhausgase senken müssen als noch nicht entwickelte Länder. Somit erreichen wir vollends eine Klimaschutz-Realität der unterschiedlichen Geschwindigkeiten: Einige Länder bleiben beim kraftvollen Klimaschutz, während andere unvermindert CO2 emittieren.

 

Emissionsverlagerung als zentrales Problem des Klimaschutzes der unterschiedlichen Geschwindigkeiten

Diese ungleichen Geschwindigkeiten werden erst dann zum Problem, wenn global handelnde Unternehmen unterschiedlichen Regulierungen ausgesetzt sind. In Kanada (und hoffentlich auch bald in der EU) wird zum Beispiel eine ausgestoßene Tonne CO2 künftig 20 bis 30 Euro kosten. Das soll Unternehmen dazu anregen, in emissionsärmere Technologien zu investieren und diese zu nutzen. Verlangen andere Länder nun aber keine CO2-Preise, so sind energieintensive Industrien versucht, ihre Produktion aus wirtschaftlicher Sicht in diese Länder auszulagern. Oftmals haben sie gar keine andere Option, wenn sie mit billigen Importprodukten aus Ländern mit schwächeren Klimaregulierungen konkurieren.

Besonders davon betroffen sind sogenannte “energy-intensive, trade-exposed (EITE) industries” wie beispielsweise die Papier-, Stahl-, oder die Chemieindustrie. Diese Branchen stoßen während der Produktion viel CO2 aus und konkurrieren gleichzeitig stark mit Importen aus anderen Ländern. Bereits heute verteuert die EU-Klimapolitik die Stahlpreise hierzulande. Doch wenn die Europäische Klimapolitik noch ambitionierter werden soll, und das ist unabwendbar, um das Zwei-Grad-Ziel zu erreichen, muss die heimische energieintensive Industrie vor unregulierten Importen geschützt werden. Sonst sind nicht nur Arbeitsplätze, sondern auch der hiesige Klimaschutz bedroht. Robuste CO2-Vorgaben würden dann nicht zur Reduktion der Emissionen, sondern nur zu ihrer Verlagerung ins Ausland (carbon leakage) führen. Mit diesem Argument haben sich energieintensive Industrien bisher auch erfolgreich gegen strenge Klimavorgaben gewehrt. Das jedoch schwächt den Europäischen Klimaschutz und verschleppt die notwendige tiefe Dekarbonisierung dieser Branchen.

 

Emissionsverlagerung kann durch CO2-Grenzausgleiche vermieden werden

Der Schutz vor Emissionsverlagerung lässt sich am besten mit sogenannten Grenzausgleichen (border adjustment mechanisms) herstellen. Energieintensive Güter aus Ländern ohne CO2-Abgabe müssten beispielsweise bei der Einfuhr in den EU-Markt nachträglich Preise für ausgestoßenes CO2 bezahlen, die vergleichbare heimische Produkte hier im Europäischen Emissionsmarkt abführen mussten. So können ungleiche Belastungen von Produkten beim Import-Export ausgeglichen und ein fairer Wettbewerb sichergestellt werden.

Politiker zögern jedoch oft, den Handel in die Umweltpolitik einzubeziehen, weil in der Vergangenheit oft Gesundheits- oder Umweltstandards vorgeschoben wurden, um unwirtschaftliche Industrien künstlich am Leben zu erhalten. Parallel hoffte man, dass in den internationalen Klimaverhandlungen eine Lösung gefunden wird, bei der alle Staaten gleichermaßen ihre Treibhausgase reduzieren. Da sich diese Hoffnung jedoch nicht realisiert hat, ist es jetzt an der Zeit, faire Grenzausgleiche zu konstruieren, die keinen Vorschub zu neuem Protektionismus geben, sondern Wettbewerbsgleichheit in einer Welt mit unterschiedlichen Klimaschutzgeschwindigkeiten herstellt.

 

Der Grenzausgleich stellt uns vor komplexe politische Herausforderungen

Zum einen ist umstritten, ob CO2-Grenzausgleiche mit geltendem WTO-Recht vereinbar sind. Hierzu gibt es diverse Rechtsgutachten, aber noch keine juristische Entscheidung. Zwar wurden Umweltabgaben schon mehrfach von der WTO als nicht-konform abgelehnt. Allerdings räumt die WTO in ihrer Präambel die generelle Option ein, zugunsten des Umweltschutzes temporäre Handelshemmnisse einzuführen. Dass dies möglich ist, zeigte sich vergangenen Mai, als die EU einen Grenzausgleich für den Handel mit Beton in Erwägung zog und erfolgreich mit WTO-Juristen eine mögliche WTO-konforme Version des CO2-Grenzausgleichs erarbeitete.

Genauso herausfordernd wird auch die praktische Umsetzung eines Grenzausgleichs sein. Es ist viel zu kompliziert zu ermitteln, wie viel CO2 für die Produktion eines Produkts emittiert wurde und wie sehr sich die Differenz in der Klimapolitik zweier Staaten auf den Preis eines Produktes ausübt. Eine solche Aufstellung wäre vermutlich teurer als der Grenzausgleich selbst, der in den meisten Fällen sowieso recht gering ausfällt. Deshalb muss eine intelligente Lösung gefunden werden, bei der ein geschätzter Grenzausgleich für eine begrenzte Zahl besonders betroffener Produkte erhoben wird.

 

Nobody Said It Was Easy

Ein CO2-Grenzausgleich ist ein komplexes, politökonomisches Unterfangen, wofür es jedoch kaum Alternativen gibt. Eine tiefe Dekarbonisierung darf auch oder eben gerade vor energieintensiven Industrien nicht Halt machen. Gleichzeitig müssen wir die Realität der unterschiedlichen Geschwindigkeiten im Klimaschutz akzeptieren und die heimische Industrie vor verzerrtem Handel und Emissionsverlagerungen schützen. Denn ein Handel, der von ungleichen CO2-Besteuerungen verzerrt ist, kreiert Spannungen und verhindert eine effektive Klimapolitik. Temporäre Grenzausgleiche, so schwierig sie auch sein mögen, sind daher notwendig, um sowohl den internationalen Handel als auch sichere, klimatische Lebensgrundlagen für zukünftige Generationen zu bewahren.

 

Das Polis Blog ist eine Plattform, die den Mitgliedern von Polis180 zur Verfügung steht. Die veröffentlichten Beiträge stellen persönliche Stellungnahmen der AutorInnen dar. Sie geben nicht die Meinung der Blogredaktion oder von Polis180 e.V. wieder. Image source: „Emissions“, Aaron Hockley, http://bit.ly/2hNePFI, lizensiert unter Creative Commons license 2.0.: https://creativecommons.org/licenses/by/2.0/. 

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