Polisblog
6. Juli 2016

Stürzt die Babyboomer, Millennials an die Macht!

Denn sie zerstören nicht nur Europa, sondern auch unsere Zukunft. Wir Jungen wollen die europäische Politik mitgestalten. Doch die alte, angepasste und sich ins Nationale zurücksehnende Generation lässt uns bislang keine Chance dazu. Das werden wir ändern.

Ein Kommentar von Kassandra Becker und Sophie Pornschlegel

 

Noch mal kurz die Oma anrufen, damit sie nicht gegen die EU stimmt – das war letzte Woche nichts Ungewöhnliches in Großbritannien. Denn das EU-Referendum im Vereinigten Königreich hat es gezeigt: Junge BritInnen hätten sich einen Verbleib in der EU gewünscht. Laut YouGov stimmten 75 Prozent der 18- bis 24-Jährigen für den Verbleib in der EU. BürgerInnen über 65 hingegen stimmten nur zu 39 Prozent für eine europäische Zukunft Großbritanniens. Die Generationen sind gespalten – je älter, desto eher für den Brexit, desto weniger für eine gemeinsame europäische Zukunft.

Dabei ist Großbritannien kein Einzelfall. In Frankreich, Deutschland oder Italien ist es genau dieselbe Generation jenseits der fünfzig, die rechte PopulistInnen ins Amt jubelt – sei es die AfD, Marine le Pen oder die Lega Nord.

 

Generation Y: Politikverdrossen und konsumgeil?

An sich ist klar: die junge Generation braucht eine politische Stimme, um das Schlimmste in Europa zu vermeiden. Denn das Schlimmste wäre die Rückkehr zu einem kleinmütigen, nationalistischen Europa, das nicht zusammen globalen Herausforderungen begegnet, sondern in der Illusion lebt, dass man sich als Nationalstaat hinter seinen Grenzen verschanzen kann. Als würden Klimawandel, Flüchtlinge oder Finanzströme an Grenzen Halt machen.

Stellt sich jedoch die Frage, wie es dazu kommen konnte, dass nur 36 Prozent aller 18 bis 24 Jahre alten BürgerInnen überhaupt beim EU-Referendum in Großbritannien abgestimmt haben. Von den fast 4 Millionen jungen BritInnen haben sich weniger als 500.000 zur Wahl registriert. Sie hätten es sein können, die das Referendum hätten entscheidend wenden können.

Für das mangelnde Engagement gibt es zahlreiche Gründe: Die „Remain“-Kampagne hatte einen bekannten Euroskeptiker an der Spitze – David Cameron. Proeuropäische PolitikerInnen haben es darüber hinaus versäumt, die jungen WählerInnen für sich zu gewinnen. Das britische Zweiparteiensystem lässt auch kaum Platz für Alternativen. Schließlich genießen britische PolitikerInnen nicht gerade ein positives Image: Machtgeile „Eton-Boys“ dominieren die politische Landschaft. Und sobald der Wahlsieg eingefahren ist, brechen sie ihre Wahlversprechen oder wollen „ihr Leben zurück“. Kein Wunder, dass kaum einer einsieht, wählen zu gehen.

Neue Wege der politischen Partizipation müssen her, um der jungen Generation eine Stimme zu verleihen – und der sklerotischen europäischen Politik einen neuen Impuls zu geben.

Dabei sind wir junge EuropäerInnen doch gar nicht so unpolitisch. Dass wir nicht mehr zwangsläufig ins typische Klischee der Millennials passen (unpolitisch, selbstverliebt, materialistisch), zeigt die Shell-Studie: Während 2002 noch 30 Prozent der jungen Menschen in Deutschland politisch interessiert waren, sind es 2015 wieder 41 Prozent. Nur wird politisches Engagement schon lange nicht mehr als parteipolitisches Engagement verstanden. Neue Wege der politischen Partizipation müssen her, um der jungen Generation eine Stimme zu verleihen – und der sklerotischen europäischen Politik einen neuen Impuls zu geben. Es gab in den vergangenen Jahren eigentlich genügend Krisen, die zu positiven Veränderungen hätten führen können. Aber immer wieder scheitern PolitikerInnen daran, das Momentum zu nutzen.

 

Verantwortungslos und kurzsichtig: Die Babyboomer-Generation

Schuld daran hat die Generation, die gerade die Macht hat – die Babyboomer. Geboren zwischen 1955 und 1969, vermögend, kaufkräftig, ohne die Kriegserfahrung ihrer Eltern, verbringen sie ihren Lebensabend im gemütlichen Sessel und frönen ihrem Wohlstand. Beruflich haben sie es sich schon lange auf schönen Posten gemütlich gemacht. Verwalten statt gestalten, so lautet ihre Devise. Es fehlt ihnen an Visionen und echten Überzeugungen. Und das, obwohl ihre jetzigen Entscheidungen über die Zukunft Europas entscheiden. Stattdessen lassen sie PopulistInnen gewähren, die immer größenwahnsinniger werden und nostalgisch auf die blutgetränkte nationale Vergangenheit unseres Kontinents blicken.

Seit über zehn Jahren gibt es auf EU-Ebene keine positive Entwicklung mehr – stattdessen gibt es Populismus und nationale PolitikerInnen, die die EU für alle Probleme im eigenen Land verantwortlich machen.

Die Babyboomer-Generation lässt einen Scherbenhaufen hinter sich. Sie hat es nicht geschafft, für eine Europäische Union zu kämpfen, die Krisen standhält. Sie hat in den letzten Jahrzehnten kurzsichtig gehandelt, nach dem Motto „solange es gut geht, ist Europa keiner Anstrengung wert“. Das geht nur solange gut, bis sich die Krisen häufen: das französische „Nein“ zur EU-Verfassung im Jahr 2005. Ein in aller Eile unterschriebener Lissabon-Vertrag. Die globale Finanz- und Wirtschaftskrise. Zwei Jahre darauf die Griechenlandkrise. 2015 die Flüchtlingskrise. 2016 der Brexit. Seit über zehn Jahren gibt es auf EU-Ebene keine positive Entwicklung mehr – stattdessen gibt es Populismus und nationale PolitikerInnen, die die EU für alle Probleme im eigenen Land verantwortlich machen.

So zerstören die Babyboomer – das jetzige politische Establishment – unsere Zukunft. Sie verbauen uns unsere Chance, in einer vielfältigen, komplexen Welt ein ebenso vielfältiges, demokratisches und soziales Europa zu bauen. Sie treffen wie David Cameron engstirnige Entscheidungen, nur um die nächste Wahl zu gewinnen. Und schaden unserer Generation.

 

Wir verschaffen uns nun selbst eine Stimme

Wenn viele junge Menschen sich nicht politisch engagieren, dann ist das auch, weil sie sich machtlos fühlen. Weiße Männer über fünfzig sitzen am längeren Hebel. Es ist deshalb an der Zeit, dass wir nicht nur debattieren, sondern unsere Sicht von Europa auch tatsächlich entwickeln und umsetzen. Wir wissen, dass die politischen Herausforderungen komplex sind, aber wir werden uns ihrer annehmen. Wir entwickeln neue, alternative politische Plattformen – so wie Polis180. Hier kommen wir als junge, politikinteressierte Menschen zusammen, diskutieren und debattieren, entwerfen eine gemeinsame Zukunft, für die wir zu kämpfen bereit sind.

Wir junge BürgerInnen – die PolitikerInnen von morgen – haben uns entschieden: wir verschaffen uns nun selbst eine Stimme.

Wir arbeiten an Lösungen, damit wir unsere Zukunft nicht in einem europäischen Scherbenhaufen verbringen müssen, in dem PopulistInnen und NationalistInnen die Entscheidungen für uns treffen. Wir junge BürgerInnen – die PolitikerInnen von morgen – haben uns entschieden: wir verschaffen uns nun selbst eine Stimme. Wir haben es eilig, denn Europa versinkt gerade im Muff unserer Alten. Das werden wir verhindern, so gut wir es können.

 

Das Polis Blog ist eine Plattform, die den Mitgliedern von Polis180 zur Verfügung steht. Die veröffentlichten Beiträge stellen persönliche Stellungnahmen der AutorInnen dar. Sie geben nicht die Meinung der Blogredaktion oder von Polis180 e.V. wieder. Bildquelle: http://bit.ly/29qt7J7.

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Kassandra Becker

Kassandra studierte im Master European Studies und IB in Frankfurt/Oder und Posen (Polen). Sie nahm am Basic Track der School of Design Thinking des Hasso-Plattner-Instituts teil. Nach Praktika beim ZDF, im Bundestag und der Heinrich-Böll Stiftung, arbeitete sie für die Körber-Stiftung in Berlin. Seit Mai 2016 ist sie Leiterin der Geschäftsstelle von Polis180.

Sophie Pornschlegel

Sophie Pornschlegel

Sophie hat in Frankreich und England Politikwissenschaft studiert. Erste Arbeitserfahrung sammelte sie bei einem Labour-Abgeordneten in Westminster, bei Arte und als Trainee in der Europäischen Kommission. Sie arbeitet seit zwei Jahren in einer Kommunikationsagentur und verantwortet im Vorstand von Polis180 die Bereiche Programmkoordination und Regiogruppen.

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