Der Bürgerkrieg in Jemen wird in der deutschen Öffentlichkeit vor allen Dingen als eine Konfrontation zweier regionaler Mächte wahrgenommen. Dabei zeigt er, dass sich sicherheitspolitische Ideen und Realitäten grundlegend verändert haben. Um diese Herausforderung anzugehen, braucht es ehrliche Makler in der Region.
Ein Beitrag von Eric Schneider
Die normative Kraft des Faktischen
Seitdem der Golfkooperationsrat unter der Führung Saudi-Arabiens auf der Seite der jemenitischen Regierung in den Bürgerkrieg eingegriffen hat, sehen sich die mutmaßlich vom Iran unterstützten Huthi-Rebellen auf dem Rückzug. Der Konflikt wird international als sektiererische Auseinandersetzung zwischen sunnitischem und schiitischem Islam gedeutet und damit in eine Reihe mit anderen Konflikten im Nahen und Mittleren Osten gestellt.
Historisch gesehen ist die These vom Sektierertum gewagt. Es gibt durchaus andere, bedeutendere Gründe für den Ausbruch des Bürgerkriegs und dessen Eskalation. Doch spielt dies wirklich noch eine Rolle? Seit die regionalen Mächte Saudi-Arabien und Iran im jemenitischen Bürgerkrieg intervenieren, sind die historischen Wurzeln des Konflikts der normativen Kraft des Faktischen gewichen.
Kriegsführung mit dem Scheckbuch
Das verheerende Ausmaß der saudischen Interventionspolitik, die sich destabilisierend auf die gesamte Region auswirkt, entfaltet sich Schritt für Schritt. In den letzten Wochen wurde deutlich, dass der Konflikt vonseiten des Königreichs nicht nur mit der eigenen Armee, sondern auch mit dem Scheckbuch geführt wird. Truppen aus Mauretanien, dem Sudan und Senegal sind in die Kämpfe im Jemen verwickelt. Sie lassen sich dies mit großzügigen Krediten und Investitionen in Entwicklungsprogramme entlohnen. Die Vereinigten Arabischen Emirate bezahlen kolumbianische Söldnergruppen, um ebenfalls an der Seite des Golfkooperationsrats in den Konflikt einzugreifen.
Von roten Linien und regionalen Mächten
Dabei ist der Konflikt in Jemen auch Ausdruck der labilen weltpolitischen Lage. Die Stabilität des Kalten Krieges und die folgende unipolare Welt der Ordnungsmacht USA sind Vergangenheit. Die Fähigkeit und der Wille, Ordnung notfalls auch global durchzusetzen, sind den USA verloren gegangen – spätestens in dem Moment, als die roten Linien von US-Präsident Barack im Syrienkonflikt im Sand verliefen. Er drohte im Falle des Einsatzes von Giftgas durch das syrische Regime mit einer amerikanischen Intervention, ließ seinen Worten aber keine Taten folgen. Die Vereinigten Staaten, als unwillige und unfähige globale Ordnungsmacht, haben nicht zuletzt damit viel Glaubwürdigkeit in der Region verspielt.
Dies ist ein deutliches Signal an die Ambitionen der regionalen Mächte. Deren Interessen können nicht mehr so einfach durch Großmachtpolitik oder internationale Diplomatie eingedämmt werden. Die diplomatischen Lösungsversuche der drängendsten Konflikte der letzten Jahre – sei es in Syrien, der Ukraine oder im Atomkonflikt mit dem Iran – haben in ihrer Konsequenz zu einer Erweiterung der Handlungsspielräume der regionalen Mächte geführt.
Die Regionalmächte führen und unterstützen Stellvertreterkriege, um ihre Macht und Einflusssphäre in strategisch wichtigen Gebieten auszubauen. Für den Iran ist es der syrische Machthaber Baschar al-Assad und dessen Einfluss in Syrien. Für Saudi-Arabien ist es die Regierung um den jemenitischen Präsidenten Abed Rabbo Mansur Hadi. Die außenpolitischen Interessen Russlands werden ebenfalls regional definiert und durchgesetzt – von der Ostukraine bis in die Levante.
Ehrliche Makler
Trotz aller Misserfolge der internationalen Konferenzdiplomatie der letzten Jahre, sollte die Befriedung regionaler Konflikte weiterhin das erklärte Ziel werte- und interessengeleiteter Außenpolitik sein. Da die Vereinigten Staaten als Ordnungsmacht ausfallen und der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen durch die Möglichkeit eines Vetos oftmals handlungsunfähig ist, bleibt nur eine Möglichkeit zur Lösung von Konflikten: Ehrliche Makler, aus der Region stammend und dort Respekt genießend, müssen als uneigennützige Vermittler fungieren.
Wie ein solcher Versuch des Vermittelns aussehen kann, hat der Oman im Mai dieses Jahres gezeigt. Im deutlichen Bruch mit der Politik des Golfkooperationsrats legte das Land einen umfassenden Siebenpunkteplan zur Beendigung des Konflikts im Jemen vor. Oman, das als Mitglied des Golfkooperationsrats gleichzeitig gute diplomatische Beziehungen zum Iran unterhält, wollte im Konflikt vermitteln, ohne eigene Interessen durchzusetzen. So ist es kein Wunder, dass der Oman auch bei den jüngsten Verhandlungen zum Syrienkonflikt in Wien mit am Tisch sitzt. Die Stimme des Oman wird gehört und respektiert, auch wenn ihr noch kein Erfolg beschieden war.
Deutsche Krisendiplomatie
Um zukünftig erfolgreich zu sein, müssen ehrliche Makler die größtmögliche Unterstützung der internationalen Gemeinschaft und ein gewisses Maß an Freiheit in der Wahl ihrer Mittel erfahren. Europäische und damit auch deutsche Krisendiplomatie sollte die ehrlichen Makler in ihren Kapazitäten unterstützen und deren Autorität auch mit Nachdruck gegen Störversuche von außen verteidigen. Dazu gehört von deutscher Seite auch der Stopp von Waffenlieferungen an einzelne Konfliktparteien. Diese Art der Konfliktdiplomatie wäre nicht nur vorausschauend, sondern auch von Respekt und einem gewissen Verständnis – nicht unbedingt Einverständnis – für die regionalen Gegebenheiten geprägt.
Am Freitag, den 11. Dezember 2015 wird das Polis Blog außerdem ein Interview mit Omid Nouripour, dem außenpolitischen Sprecher der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, zur derzeitigen Lage im Jemen und in der Region veröffentlichen.
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