Amerikanische Präsidentschaftskampagnen leben für gewöhnlich von Botschaften, die “Hope“ und “Change“ proklamieren. Derartige Narrative, die einen Machtanspruch auf das Weiße Haus legitimieren können, sucht man momentan vergeblich. Die Corona-Pandemie offenbart stattdessen leere Wahlkampfnarrative – während Donald Trump Selbstlob übt, sucht Joe Biden nach einer klaren Vision.
Ein Beitrag von Franziska Riel
“Keep America Great” vs. “Our Best Days Still Lie Ahead” – die gegenwärtigen Kampagnen-Slogans deuten die konträren Visionen von Donald Trump und seinem Herausforderer Joe Biden bereits an. Trump adaptiert Altbewährtes und knüpft an seinen 2016-Slogan, “Make America Great Again“, an. Damit bediente er sich nicht nur eines Wahlspruchs aus Reagan-Zeiten, sondern instrumentalisierte die Vergangenheit zum Zwecke der republikanischen Machtübernahme – mit Erfolg.
Damit begründet Trump den nostalgischen Ausgangston all seiner politischen Narrative. Biden hingegen kontrastiert mit einem Slogan, der einen optimistischen Zukunftsblick suggeriert, vorausgesetzt er kann die Wahl im November für sich entscheiden. Um diese Vision zu erfüllen und gegen das rhetorische Phänomen Donald Trump anzukämpfen, muss Biden jedoch mit einer überzeugenderen Kommunikationsstrategie aufwarten.
Die Macht der Sprache ergibt sich nicht nur aus der Fähigkeit, eine Sachlage zu veranschaulichen. Zusätzlich können Sprachbilder von Politikern auch dafür eingesetzt werden, wahrgenommene und kollektive Realitäten zu konstruieren. Somit etabliert das Medium Sprache in Form politischer Narrative reale Wirklichkeiten für Millionen von U.S.-Amerikanern, die heutzutage streng entlang der demokratischen oder republikanischen Parteilinie polarisieren.
Die Erzählkunst im präsidentiellen Wahlkampf besteht darin, politische Programmatik und die eigene Person zu einem konsistenten Erzählstrang zu verknüpfen. Ziel dieser Narrative ist es, eine größtmögliche Wählerkoalition zu generieren und dadurch den Machtanspruch auf das höchste politische Amt des Landes zu behaupten.
Erfolgskurs aus eigener Kraft – Trumps politische Narrative
Donald Trump hat in den letzten vier Jahren grundsätzlich nie aufgehört Wahlkampf zu betreiben und zieht oftmals die Vergangenheit als Maßstab heran. Seine öffentlichen Auftritte bestechen dabei durch Selbstinszenierungen. Insbesondere auf seinen Rallys wird das Publikum einleitend stets an den Wahlsieg 2016 erinnert, gefolgt von einer Litanei an Erfolgsgeschichten: von gewonnen Handelskriegen und einer florierenden Wirtschaft, über gesenkte Steuern und Rekordbeschäftigung bis hin zu Bürokratieabbau, der Bestellung konservativer Richter und die Erweiterung militärischer Einflussnahme durch die United States Space Force.
Gelegentliche Tatsachenverdrehungen sind Trumps Vehikel, um politische Realitäten zu erschaffen, in denen einstmalige Verlierer wieder zu Gewinnern werden – Dank gebührt Trump. Seine Programmatik drückt sich also nicht primär durch seine Politik, sondern durch seine Person selbst aus. Trumps Narrative verherrlichen ihn selber und kreisen ausschließlich um seine Erfolge – Kritiker zählen nicht und werden mit rhetorischer Härte denunziert. Die liberalen Medien sind dabei weiterhin Trumps bevorzugtes Feindbild.
Auch die Corona-Krise instrumentalisiert der Amtsinhaber, um Trump-zentristische Narrative zum Besten zu geben. In beinahe täglichen Pressekonferenzen inszenierte sich Trump als unfehlbare Führungsperson und deklarierte sich selbst als „wartime President“. Ihm sei es gelungen, aus einem „broken system“ ein „great system“ zu machen. Die New York Times analysierte Trumps rund 260,000 gesprochenen Worte während dieser Pressekonferenzen, im Zeitraum von 9. März bis 17. April.
Die Analyse zeigte überproportionale Vorkommnisse an Selbstbeglückwünschungen, die sich in Übertreibungen und Falschaussagen äußerten, im Gegensatz zu Empathiebekundungen und Bestrebungen, die USA ansatzweise zu einen. Nach inhaltlichen Zuspitzungen, wie dem Desinfektionsmittel-Debakel, wurden Trumps Auftritte seitens des Weißen Hauses mittlerweile reduziert.
Dennoch bemüht sich Trump nach wie vor um populistische Narrative, die auch angesichts der Pandemie ein klares Feindbild zeichnen, ihn von der Verantwortung freisprechen und gleichzeitig seinen Machtanspruch untermauern. So wettert er beispielsweise gegen die unzureichende Vorbereitung der Obama Regierung, verweist auf flächendeckende Testverfahren und Ausgangssperren als Aufgabe der Bundesstaaten und rühmt sich bereits eines neuen ökonomischen Aufschwungs, den er herbeiführen wird.
Das zentrale Gegenstück zu Trumps Eigenlob sind persönliche Angriffe auf seinen Gegner. Schon im Sommer 2019 denunzierte er Biden vor Pressevertretern als „Loser“ und kreierte den Spitznamen „Sleepy Joe“. Trump hätte große Lust gegen Biden anzutreten, aufgrund seiner mentalen Schwäche, so der Präsident damals.
Mit derlei Angriffen versucht Trump seinen Mitbewerber zu disqualifizieren und bedient sich dabei der Diffamierungsstrategie aus seinem 2016 Playbook. In jüngster Zeit mokierte sich Trump über die medialen Auftritte des demokratischen Kandidaten und erweiterte damit sein Narrativ über “Sleepy Joe” um ein weiteres diskreditierendes Kapitel.
Mit Rationalität auf moderatem Kurs – Bidens politische Narrative
Als Joe Biden vor einem Jahr seine Kandidatur bekannt gab, positionierte er sich als rationales Gegengewicht zu Donald Trump, das die Wiederherstellung einer geeinten Nation und die internationale Achtung seiner Verbündeten zum Ziel hatte. Als wählbare Alternative bietet Biden in seiner Programmatik einen Kurs der politischen Mitte an und konnte aufgrund der Corona-Krise die Vorwahlen verfrüht für sich entscheiden.
Dieser Etappensieg traf auf ein mäßig vorbereitetes Wahlkampfteam, was nicht zuletzt in zaghaften und unausgereiften Narrativen sowie holprigen öffentlichen Auftritten des Präsidentschaftsanwärters zutage tritt. Spätestens mit Bekanntgabe seiner Vizepräsidentin – Biden hatte bereits im März zugesichert, dass er eine Frau für dieses Amt vorsieht – muss Biden der ideologische Spagat innerhalb seiner Partei gelingen und die damit verbundene Etablierung stringenter politischer Narrative.
Während Biden bisweilen wenig überzeugt, sind es vor allem namhafte Parteikollegen, die politische Narrative um seine Person vorantreiben. Darunter Barack Obama, Hillary Clinton, Elizabeth Warren, Nancy Pelosi und Bernie Sanders, die Biden ihre Unterstützung öffentlich bekundeten. Vor allem über diesen Hebel will der Karrierepolitiker sein Image als „Average Joe“ an seine Wähler herantragen.
Biden wird als empathischer und volksnaher Familienmensch der Mittelschicht dargestellt, der mit seinen Führungsqualitäten vermag, die geteilte Nation schrittweise zu einen und transatlantische Beziehungen wieder aufleben zu lassen. Mit einer zukunftsorientierten Strategie setzt sich Biden damit von Trumps Fokus auf vergangene Zeiten ab.
Die Corona-Krise könnte kommunikativ einen Vorteil für Biden bedeuten, würde er Trumps Krisenmanagement nicht nur konstruktiv kritisieren, sondern auch praktikable und innovative Vorschläge unterbreiten. Seine Erfahrungen im Umgang mit Epidemien (wie H1N1 und Ebola), sowie sein empathischer Charakter sprächen für eine stärkere narrative Betonung. Mit der Darstellung seiner Führungskompetenzen in Krisensituationen könnte Biden, in Abgrenzung zu Trump, seinen Machtanspruch geltend machen.
Dieses Narrativ bediente Biden bisher jedoch unzureichend. Auch auf die Anschuldigung eines sexuellen Übergriffs einer ehemaligen Senatsmitarbeiterin, Tara Reade, reagierte Biden verspätet und ließ wertvolle Zeit verstreichen, um die Erzählhoheit für sich zu bestimmen. Mit seiner bisherigen Leistung ist es fraglich, ob Biden seinem Machtanspruch gerecht werden und im Zweikampf der politischen Narrative gegen Trump bestehen kann.
Trump rühmt sich der „besten Worte“, während Biden noch danach sucht
Schon 2015 stellte Trump klar, “I know words. I have the best words” und überrascht mit seinen von Superlativen geprägten Narrativen wenig. Dem setzt Biden eine moderate Positionierung entgegen. Seine politischen Narrative wirken zum jetzigen Zeitpunkt jedoch unkoordiniert sowie einfallslos, und bedürfen einer höheren Reaktionsfähigkeit wie Pointierung. Die narrativen Ansätze des Amtsinhabers und seines Herausforderers stehen somit in starkem Kontrast zueinander.
Gemeinsam ist ihnen, dass weder Trump noch Biden bisher imstande zu sein scheinen, über Parteilinien hinweg zu kommunizieren, sondern ihre Narrative in den jeweiligen Echokammern reproduziert werden. Um den Machtkampf im November für sich zu entscheiden, muss Joe Biden sein kommunikatives Repertoire erweitern, seine Erzählkunst schärfen und seine Vorzüge für die politische Zukunft der USA einprägsamer darstellen.
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Franziska hat North American Studies am John F. Kennedy Institute studiert und sich dabei auf Aspekte der Politischen Kommunikation und Rhetorik amerikanischer Präsidenten spezialisiert. Bei Polis180 engagiert sie sich im Programmbereich The America(n)s.