Polisblog
16. Januar 2019

COP24: Eine Analyse der UN-Klimakonferenz in Katowice

Anfang Dezember wurde im polnischen Katowice das Regelbuch zur Umsetzung des Paris Agreements ausgehandelt. Doch statt der eigentlichen Regeln standen die Unterschiede zwischen den Formulierungen „begrüßen“ und „zur Kenntnis nehmen“ im Zentrum der Diskussionen. Und es wurden blaue Turnbeutel verteilt.  

Ein Beitrag von Kerstin Mohr

 

Drei Jahre später: Verhandlungen um CO2-Reduktionen im Zentrum des Kohlebergbaus

Seitdem das Pariser Abkommen von 2015 weltweit gefeiert wurde, ist rund um den Globus viel passiert. Nicht zuletzt haben die Präsidentschaftswahlen in den USA und Brasilien sowie Regierungskrisen in Deutschland dazu beigetragen, dass die Aufbruchstimmung in eine klimafreundlichere Zukunft verflogen ist.

Was sich jedoch seitdem nicht verändert hat, ist die internationale Diplomatie, die gern mit Bildern statt mit Worten arbeitet. Gleich zu Beginn der Konferenz in Katowice sprachen die Bilder eine deutliche Sprache: In der schlesischen Metropole prägen Fördertürme nicht nur das Umland, sondern auch das Stadtbild. Teilnehmende berichteten, bei Anreise die Kohle in der Luft gerochen zu haben. Und Andrzej Duda, Präsident des Gastgeberlandes Polen, wählte für seinen ersten Besuch auf der COP nicht etwa einen Anzug, sondern die traditionelle Uniform der Kohlearbeiter*innen.

Kurz darauf wurden die Bilder von Worten unterstützt und von Fakten untermauert. Duda betonte am Sankt Barbaratag, der zeitgleich zur COP stattfand und traditionell von Bergleuten gefeiert wird, die Bedeutung von Kohle für die polnische Wirtschaft und Energiesicherheit. Und für Deutschland, Nachbar und ehemaliger Klimavorreiter, war, anders als wohl ursprünglich geplant, Umweltministerin Schulze ohne Ergebnisse aus der sogenannten Kohlekommission angereist. Denn diese war in die Verlängerung geschickt worden, nachdem die Ministerpräsidenten der ostdeutschen Bundesländer  – mit dem Bekanntwerden der ersten Ergebnisse der Kommission – massive Investitionen und mehr Zeit forderten. Das Umfeld ließ somit bereits erkennen, dass die Verhandlungen um konkrete Maßnahmen und Überprüfungen von CO2-Reduktionen schwierig werden könnten.

 

Schwierige Verhandlungen unter noch schwierigeren Bedingungen

Das Setting war also bereits nervenaufreibend, und die zu verhandelnden Inhalte umso mehr. Im Zentrum stand die Umsetzung des Pariser Abkommens: Nach dreijährigen Vorbereitungen sollten sich die Vertragspartner nun auf feste Regeln einigen. Eine große Herausforderung, denn aktuell erfüllt nur ein Bruchteil aller Länder seine Ziele und die bisherigen national festgelegten Beiträge (NDCs) würden zu einer globalen Erderwärmung von mindestens 3 Grad führen.

Doch nicht etwa die zu geringen national festgelegten Beiträge gaben Anlass für hitzige Diskussionen, sondern der aktuelle Sonderbericht des Weltklimarates (IPCC). Der sog. 1,5-Grad Bericht war von der Pariser COP in Auftrag gegeben worden und kam zu dem Ergebnis, dass für eine entsprechende Einhaltung des Klimaschutzziels eine schnellstmögliche Reduktion der Emissionen geschehen muss. Der Ausschuss für wissenschaftliche und technologische Beratung (SBSTA) wollte den Bericht „begrüßen“. Eine Koalition bestehend aus Russland, den USA, Kuwait und Saudi-Arabien wollte ihn jedoch lediglich nur „zur Kenntnis nehmen“.

Eine Diskussion um ein Detail, könnte man meinen, stünde dahinter nicht die grundsätzliche Frage des Umgangs mit wissenschaftlichen Erkenntnissen. Und von denen hängt wohl kaum ein Politikfeld so sehr ab wie das des Klimas, muss hier doch der Umgang mit Unwissen, Unsicherheiten und Planungszeiträumen über Generationen und Grenzen hinweg gefunden werden.

Die schwierigen Verhandlungen führten schlussendlich dazu, dass die COP, ähnlich der deutschen Kohlekommission, in die Verlängerung ging und einen Tag länger andauerte, als ursprünglich geplant.

Zum größten Erfolg der Verhandlungen zählt, dass Finanzhilfen für Entwicklungsländer auch über das Jahr 2025 hinaus fortgeführt werden. Zudem legen Transparenzrichtlinien fest, dass die im Rahmen der Berichtspflichten angegeben Daten maximal drei Jahre alt sein dürfen. Eine Einigung für die finanzielle Wiedergutmachung von „Losses and Damages“ konnte dagegen nicht erzielt werden. Entscheidungen hinsichtlich des Emissionshandels wurden auf die nächste COP verschoben. Höhere nationale Zusagen wurden in Katowice nicht verhandelt.

 

Kaum Ergebnisse, aber blaue Turnbeutel für alle

Auch wenn das Regelbuch schlussendlich einstimmig angenommen wurde, fallen die Ergebnisse aus Klimaschutzsicht erwartungsgemäß mau aus. Die Fondszahlungen sind positiv zu bewerten, hinsichtlich des Regelbuchs stellt die Einigung jedoch den Minimalkonsens von Berichtspflichten dar. Dem Tiger Regelbuch wurden somit keine Zähne verliehen. Zu hoffen bleibt auf die Entstehung einer gewissen Dynamik innerhalb der Weltgemeinschaft, angetrieben von ambitionierten Klimavorreitern und einem wirksamen „naming and shaming“ von Nachzüglern. Deutschlands Position wird demnach eine maßgebliche Rolle für das (Nicht-)Entstehen einer solchen Dynamik spielen. In Katowice zumindest hat die internationale Zivilgesellschaft der Bundesregierung den Negativpreis „Fossil des Tages“ verliehen.

Neben den eigentlichen Verhandlungen umfasst eine Vertragsstaatenkonferenz eine große Anzahl von Side-Events. So sollen während der Veranstaltung unzählige Länderpavillions, Informationsstände, NGO-Büros und Podiumsdiskussionen die Teilnehmer*innen über Positionen und aktuelle Entwicklungen in der Klimaforschung unterrichten. Während zu Zeiten der ersten Verhandlungen Mitte der 90er Jahre die COP noch ein wichtiges Zusammenkommen für den jährlichen Informationsaustausch zwischen unterschiedlichen Stakeholdern und über Kontinente hinweg war, haben heute moderne Kommunikationstechnologien längst einen Großteil dieser Aufgaben übernommen. Stattdessen lässt sich heute ein gewisser Messecharakter kaum noch vermeiden und so erhält tatsächlich jede*r Teilnehmer*in einen Swag-Bag: Ein hellblauer (oder auch hellgrüner) Turnbeutel gefüllt mit Wasserflasche, Power Bank, Mütze, Schal und Handschuhen, allesamt mit COP-Logo.

Nachdem Brasilien seine Kandidatur als Ausrichter 2019 zurückgezogen hatte, verblieb der Staffelstab dem Turnus entsprechend in der sogenannten GRULAC-Region, der “Group of Latin America and Caribbean Countries”. Nach einer Phase der Unsicherheit hob Santiago schließlich die Hand, so dass der ausstehende Emissionshandel nun im kommenden Jahr auf der COP25 in Chile verhandelt wird. Es ist noch nicht klar, welche Farbe die Turnbeutel dann haben werden.

 

Der Polis Blog ist eine Plattform, die den Mitgliedern von Polis180 zur Verfügung steht. Die veröffentlichten Beiträge stellen persönliche Stellungnahmen der AutorInnen dar. Sie geben nicht die Meinung der Blogredaktion oder von Polis180 e.V. wieder.

Bildquelle: Patrick Hendry (via unsplash)

Kerstin-Mohr

Kerstin hat Governance & Public Policy und Internationale Politikwissenschaft in Deutschland, Brasilien und Kolumbien studiert. In Berlin arbeitet sie als Policy Advisor an der Schnittstelle zwischen Energiepolitik und Energiewirtschaft und promoviert zu Climate Change Governance in schwachen Staaten. Bei Polis 180 verantwortet sie den Bereich Klima & Energie.

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