
Wahlprogrammcheck
Künstliche Intelligenz
Bei der Zukunftstechnologie Künstliche Intelligenz (KI) liegen Deutschland und Europa stark hinter China und den USA zurück. Um vom Nachzügler zum Spitzenreiter zu werden, ist ein fundamentaler Wandel notwendig. Gleichzeitig hat Europa jedoch auch die Chance, Standards für die Entwicklung von KI zu setzen, um der Diskriminierung durch Algorithmen vorzubeugen. Wie am Beispiel der Datenschutz-Grundverordnung deutlich wird, kann die EU globale Maßstäbe setzen. Am europäischen Arbeitsmarkt ist sicherzustellen, dass niemand zurückbleibt, während durch den Einsatz von KI altbekannte Jobs verschwinden und neue entstehen. Im folgenden Kapitel werden die Wahlprogramme der Parteien hinsichtlich ihrer Positionierung zum Thema Künstliche Intelligenz untersucht. Konkret werden Lösungsansätze für drei Herausforderungen analysiert: Europa als Standort für KI, Ethik in der Entwicklung von KI und Zukunft der Arbeit.
Europa und Deutschland sind insbesondere im letzten Jahr zu diesen Herausforderungen aufgewacht. Im April 2018 hat die europäische Kommission ihre KI-Strategie veröffentlicht. Die Pfeiler umfassen die Steigerung privater und öffentlicher Investitionen, die Gewährleistung eines ethischen und rechtlichen Rahmens und die Vorbereitung auf Veränderungen, die mit KI einhergehen. Im Dezember folgte ein Koordinationsplan, um sicherzustellen, dass die auf europäischer Ebene getroffenen Maßnahmen und nationalen KI-Strategien sich gegenseitig ergänzen. Seit November 2018 hat auch Deutschland eine nationale KI-Strategie. Bis 2025 will der Bund 3 Milliarden. Euro für die Umsetzung zur Verfügung stellen.
Die aktuell skizzierten Entwicklungen sind ein Aufbruchssignal. Obwohl in den Wahlprogrammen der Parteien teilweise Tatendrang spürbar ist, mangelt es an Konkretisierungen. Im Wahlprogramm von DIE LINKE wird KI als Schlagwort überhaupt nicht erwähnt. Konkrete Vorschläge für einen ethischen Rahmen finden sich nur in den Wahlprogrammen von Bündnis 90/Die Grünen und der SPD.
Autorin
Anneke Maxi Pethö-Schramm
Europa als Standort für künstliche Intelligenz
Die CDU/CSU möchten Deutschland und Europa zu einem führenden KI-Standort machen, etwa durch die Schaffung einer europäische Digitalplattform für KI und smarte Anwendungen. Es wird hervorgehoben, dass Europa selbst über Daten und Algorithmen verfügen muss, um nicht von anderen abhängig zu sein.
Die SPD möchte die Zusammenarbeit der europäischen Forschung im Bereich KI verstärken. So soll beispielsweise eine europäische Cloud aufgebaut werden, um Forschungsergebnisse, -daten und Dateninfrastruktur frei zugänglich zu machen. Zudem möchte die SPD europäische kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) sowie zivilgesellschaftliche Akteure dabei unterstützen, KI für sich zu nutzen, etwa durch die Förderung von europäischen Daten-Pools.
Bündnis 90/Die Grünen möchten, dass Europa im Bereich KI innovativer wird, etwa. durch unbürokratische Beratungsangebote und Förderprogramme für kleine und mittlere Unternehmen und das Handwerk. Bei der Erforschung von KI möchten Bündnis 90/Die Grünen gesamteuropäisch vorangehen, etwa durch die Errichtung eines europäischen Zentrums für KI. Es wird betont, dass Europa sich bei zahlreichen Zukunftstechnologien wie KI in einer Aufholjagd gegenüber anderen Weltregionen befindet.
Die Partei äußert sich in ihrem Programm nicht zum Thema Künstliche Intelligenz.
Die AfD möchte zur Entwicklung von Hochtechnologien, zum Beispiel für Programme zur Entwicklung von KI Fördergelder bereitstellen, die den Nutzer*innen eine möglichst hohe Flexibilität erlauben.
Die FDP möchte KI als Chance nutzen, um langfristig die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie zu sichern, zum Beispiel durch die Weiterentwicklung einer europäischen Strategie in diesem Bereich und den zielgerichteten Einsatz von Struktur- und Kohäsionsfonds zur Unterstützung bei der Entwicklung von KI und anderen disruptiven Technologien. Es wird hervorgehoben, dass Europa eigene Entwicklungen benötigt, um wettbewerbsfähig zu bleiben
Digitalethik
Die Parteien äußern sich in ihrem Wahlprogramm nicht zum Thema Digitalethik.
Eine enge und faire Zusammenarbeit mit den Staaten und Regionen der südlichen und östlichen Nachbarschaft erachtet die SPD als äußerst wichtig. Dies wird mit dem Eigeninteresse an einer stabilen Nachbarschaft begründet. Insbesondere will die SPD diese Staaten durch eine „immer engere Zusammenarbeit“ in ihrer politischen, wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung unterstützen. Auch russischsprachige Medienangebote sollen entwickelt werden, um in der Nachbarschaft der EU die europäische Wertegemeinschaft zu fördern. Unter besonderer Berücksichtigung der Entwicklung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit will die SPD die Beitrittsperspektive für die Länder des westlichen Balkans aufrechterhalten. Generell wird die EU-Erweiterungspolitik als Motor für Frieden, Stabilität und Zusammenarbeit betrachtet. Eine Erweiterung dürfe die Handlungsfähigkeit der EU jedoch nicht gefährden.
Bündnis 90/Die Grünen möchten eine bereichsübergreifende europäische Digitalethik entwickeln, etwa durch die Erarbeitung konkreter Vorschläge für einen Rechtsrahmen seitens der europäischen Kommission unter Einbeziehung der Vorschläge von EU-Bürger*innen. Die Partei will Diskriminierung durch algorithmische Entscheidungen vorbeugen und verhindern, dass bestehende gesellschaftliche Ungerechtigkeiten durch selbstlernende Systeme verstetigt werden. Die Überprüfbarkeit und Regulierung auf Algorithmen basierender Entscheidungssysteme sollen auf europäischer Ebene rechtlich verankert und durch entsprechende Gremien überwacht werden, etwa durch ein erweitertes Verbandsklagerecht, spezialisierte Schiedsstellen und eine stärkere Ausstattung der europäischen Antidiskriminierungsstellen.
DIE LINKE fordert eine „solidarische Nachbarschaftspolitik“ gegenüber den östlichen und südlichen Nachbarn der EU. DIE LINKE kritisiert, dass das bisherige Vorgehen (also die Assoziierungsabkommen) diese Staaten auch ohne Beitrittsperspektive nötigt, sich dem (juristischen) System der EU anzupassen. Zudem würden sie durch die Priorisierung wirtschaftlicher Interessen durch die EU (umfassende und tiefe Freihandelsabkommen) neoliberalen Zwängen und einem unfairen Wettbewerb ausgesetzt. Stattdessen müsse der Fokus der Nachbarschaftspolitik auf Armutsbekämpfung und sozialer Entwicklung liegen. Zudem solle die EU verstärkt Reformen im Bereich der Rechtsstaatlichkeit und Demokratie unterstützen. Auch der Klimawandel, eine nachhaltige Energieversorgung und die Gewährleistung von demokratischen, sozialen und Menschenrechten müssten adressiert werden. Die Staaten des Westbalkans werden im Wahlprogramm nicht erwähnt.
Das Wahlprogramm der AfD thematisiert weder die Europäische Nachbarschaftspolitik noch die Beziehungen der EU zu den Ländern des Westbalkans.
Die FDP fordert eine Erneuerung der Östlichen Partnerschaft (ÖP). Eine enge Kooperation mit den östlichen Nachbarn biete ein bedeutendes Potential. Jedoch müsse dabei noch mehr auf verbindliche Bedingungen gesetzt werden. Um nachhaltig demokratische Strukturen und Rechtsstaatlichkeit zu festigen, müssten Marktzugang und finanzielle Unterstützung stärker von Reformergebnissen und Bekenntnissen zu europäischen Werten abhängen. Für die Länder des westlichen Balkans will die FDP die Erweiterungsperspektive aufrechterhalten. Eine Aufnahme kann jedoch nur nach Erfüllung der Kopenhagener Kriterien – die 1993 beschlossenen Voraussetzungen für einen EU-Beitritt – erfolgen. Verbindliche Bedingungen sind laut FDP auch hier das zentrale Mittel, um die notwendigen wirtschaftlichen und politischen Standards zu erreichen. Gleichzeitig muss die Aufnahmefähigkeit der EU gewährleistet bleiben.
Zukunft der Arbeit
Die CDU/CSU möchten lebensbegleitendes Lernen, Weiterbildung und berufliche Fortbildung fördern. So soll etwa das europäische Bildungsangebot auch älteren Menschen offen stehen.
Die SPD möchte allen Arbeitnehmer*innen lebenslanges Lernen ermöglichen und bestehende Berufsqualifikationen durch Weiterbildung und Qualifizierung zukunftsfähig machen. Die SPD möchte zudem KI-Anwendungen, welche den Menschen im Arbeitsprozess aufwerten, systematisch fördern. Angesichts neuer Herausforderungen durch KI und Digitalisierung möchte die SPD den Beschäftigtendatenschutz europaweit modernisieren.
Bündnis 90/Die Grünen möchten ein Recht auf Weiterbildung und lebenslanges Lernen EU-weit verankern.
DIE LINKE stellt die Schaffung ausreichender Ausbildungs- und Arbeitsplätze in den Vordergrund und kritisiert den Fokus der europäischen Bildungspolitik auf die Beschäftigungsfähigkeit von Absolvent*innen. DIE LINKE möchte die mit lebenslangem Lernen verknüpfte Aufforderung, Kenntnisse und Fähigkeiten möglichst flexibel an den sich wandelnden europäischen Arbeitsmarkt anzupassen, überwinden. So soll etwa die EU-Bildungspolitik nicht nur auf ihre Passgenauigkeit für Arbeitsmärkte ausgerichtet sein, sondern Leitziele wie die Humanisierung der Arbeit bei der allgemeinen und beruflichen Bildung verankern.
Die Partei äußert sich in ihrem Wahlprogramm nicht zum Thema Zukunft der Arbeit.
Die FDP möchte Europäer*innen jeden Alters angesichts der digitalen Arbeitswelt kostenlose Weiterbildung ermöglichen, etwa durch die Schaffung einer europäischen Online-Akademie.
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