9 JAN | Gandhis Strategie heute: Online-Petitionen? Effektiver Protest im digitalen Zeitalter?

"Women's March 2017 - Pennsylvania Ave", Vlad Tchompalov, http://bit.ly/2CzKxxU, lizenziert durch Unsplash: https://unsplash.com/license

Erfolgreicher protestieren

Was hätte Gandhi wohl gemacht, hätte es das Internet für die Mobilisierung von Protest zu seiner Zeit schon gegeben? Und was macht guten Protest überhaupt aus? Am 9. Januar 2018 versuchte Polis180 unterstützt durch den Studierendenrat der Universität Heidelberg in einem Workshop Antworten auf diese Fragen zu finden.

Zum Titel: „Gandhis Strategie heute: Online Petitionen? Effektiver Protest im digitalen Zeitalter“ sprach Lisa Villioth, Doktorandin an der Universität Siegen und berichtete von ihrer Forschung im Bereich politischer Protestkampagnen im Netz und auf der Straße. Ihre Anleitungen geben jedem einen Leitfaden an die Hand, der Protest organisieren möchte. Exemplarisch wurde das Vorgehen anhand einer fiktiven Kampagne gegen Waffenlieferungen nach Saudi Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate durchexerziert.

Lisa Villioth sprach in Heidelberg über ihre Forschung im Bereich politischer Protestkampagnen

Was ist das Ziel?

Am Anfang jeder Kampagne steht die Frage, was mit dieser erreicht werden soll. Meist wird öffentliche Aufmerksamkeit und Zustimmung anvisiert, aber auch die Delegitimierung von mit dem Missstand verbundenen Personen. Bei vielen Problemen, wie auch bei diesem Beispielthema, ist die Überzeugung der Bundestagsabgeordneten durch politischen Druck zentrale. Die Erlangung der öffentlichen Aufmerksamkeit und Beeinflussung der öffentlichen Meinung sind Zwischenziele.

 

Die Zielpersonen

Je nach Kampagnenthema und Wahl des Ziels variiert die Zielgruppe. Zu klärende Fragen lauten hier: Wer wird durch den Missstand beeinflusst und wer ist potentielleR SympathisantIn einer solchen Kampagne? Zu Beginn könnten dies Familie, FreundInnen, KommilitonInnen oder KollegenInnen sein. Online wird man verständlicherweise mehr Menschen finden, die das Ziel der Kampagne potentiell unterstützen könnten. Eine zweigleisige Vorgehensweise, also sowohl offline als auch online, ist am vielversprechendsten.

 

Der Ort des Geschehens

Auf lokaler Ebene ist der Protest vor Parteibüros empfehlenswert. Wichtig ist, die Presse vorher einzuladen und einen Presseverteiler für die Kampagne einzurichten. Um die mediale Aufmerksamkeit zu steigern, sollte der Protest ein kreatives Element beinhalten. Massenhaft Blumen vor einem Parteibüro abzulegen oder die Verkleidung aller ProtestteilnehmerInnen z.B. als Soldaten können dazu führen, am nächsten Tag auf der Titelseite einer Lokalzeitung zu landen.

In Berlin wären Botschaften der Länder, die Rüstungsexporte erhalten oder zuständige Bundesministerien geeignete Orte für Protestaufmärsche. Die Kampagne soll in großen, überregionalen Zeitungen und Nachrichtensendungen erwähnt werden. Ein Beitrag in der Tagesschau um 20 Uhr ist hierbei der Lottogewinn.

Das Internet dient der Mobilisierung von Protestierenden und Unterstützten der Kampagne.

Eine zentrale Facebook-Seite als Anlaufstelle, sowie ein Slogan und ein Hashtag sind für den Erfolg der Kampagne unabdingbar. Die Aufklärungskampagne, um mit Fakten neue Unterstützer zu gewinnen, sollte hinsichtlich der Informationstiefe stufenweise aufgebaut sein. Tweets, Emails, 5-Minuten-Infos, Verlinkung von Zeitungsartikeln und Studien werden jedem Interessierten die richtige Dosis an Informationen liefern.

Memes sind ein weiteres Mittel um für das Thema und die Kampagne Aufmerksamkeit zu generieren.

Als weiteres Element einer Kampagne sollte eine Online-Petition auf Webseiten wie change.org, weact.de oder avaaz.de in Betracht gezogen werden. Eine einzige Petition bündelt dabei die Kräfte und hilft das vorhandene Potential vollständig auszuschöpfen.

Ein mögliches Ziel ist es genügend Unterstützer zu haben, um Campact auf die Petition aufmerksam zu machen. Die Unterstützung solcher professionellen „Campaigner“ kann Sprungbrett zu weiterem Erfolg sein

 

The time is now!

Ein weiterer wichtiger Faktor ist Timing. Gewisse ‚policy windows‘, in denen ein Thema bereits in der öffentlichen Wahrnehmung präsent ist und konkrete Einwirkung auf Entscheidungsträger möglich ist, sind besonders nützlich. Wahlen, Koalitionsgespräche oder bevorstehende Abstimmungen im Bundestag stellen solche Möglichkeiten dar.

 

Nachhaltigkeit

Ziel ist es, dass die Kampagne so lange relevant bleibt, bis der problematisierte Missstand behoben ist bzw. das Kampagnenziel erreicht ist. Häufig dauert es lange, bis ein politischer Prozess zur Behebung des Problems in Rollen kommt. Mit der Zeit werden die Unterstützer der Kampagne ihre Motivation verlieren, wenn es scheint, als könne nichts bewegt werden. Deswegen ist eine sehr wichtige Aufgabe für die Organisatoren der Kampagne die Unterstützer fortlaufend zu motivieren und auch kleine Erfolge zu feiern.

 

Das Wichtigste zum Schluss

Protestieren zu können, die eigene Meinung zu äußern, Missstände anzuprangern sind wichtige Bestandteile der demokratischen Kultur. Für den Erfolg einer Kampagne sind gewisse Regeln zu beachten. Geplante Protestmärsche sollten bei den lokalen Behörden angemeldet werden und nur mit Erlaubnis durchgeführt werden. Friedliche Proteste werden eher beachtet als solche die in Gewalt umschlagen. Schließlich möchte man vermeiden, dass durch Ausschreitungen der Kampagne die Glaubwürdigkeit abgesprochen und die öffentliche Aufmerksamkeit vom eigentlichen Ziel auf das Fehlverhalten der Protestierenden gelenkt wird.

In diesem Sinne: Viel Erfolg beim Protestieren!

Titelbild: „Women’s March 2017 – Pennsylvania Ave“, Vlad Tchompalov, http://bit.ly/2CzKxxU, lizenziert durch Unsplash: https://unsplash.com/license